Sanssouci: Nachschlag
■ Riki von Falkens "Lavandina" bei den TanzSzenen Berlin
Lavendel hat einen betörenden Duft. Von diesem Duft geht eine beruhigende, ja einschläfernde Wirkung aus. Lavendelfelder sind Sinnbilder der Ruhe und inneren Einkehr. Das hat die Berliner Tänzerin Riki von Falken zu einer Solochoreographie inspiriert, die im Theater am Halleschen Ufer uraufgeführt wurde: „Lavandina“ ist nicht nur ein Tanzabend über die Weite und Einsamkeit der Lavendelfelder, sondern hat auch eine ähnliche Wirkung wie das ätherische Öl des Lavendels: er schläfert ein.
Dieser Effekt ist zunächst sicher Absicht. Allein die Musik beschwört die seligen Siebziger, als ein paar Musiker auf der Suche nach Wahrheit sich der fernöstlichen Philosopohie, dem Zen-Buddhismus und der Minimal music zuwandten. Die drei Live-Musiker (Daniel Orlansky, Rob Hoare und Zam Johnson) spielen eine Musik, die mit dem obertonreichen Klang des Didgeridoo und den minimalistischen Elementen meditativen Charakter hat. Dabei loten sie das Verhältnis von Stille und Geräusch, von Experiment und Konvention aber so gekonnt aus, daß der Abend spannend sein könnte. Wenn der Tanz nicht wäre. Riki von Falken bewegt sich auf der Bühne beinahe autistisch. Ohne sichtbares Verhältnis zu Raum und Publikum entfaltet sie ein sparsames Repertoire an Gesten und Bewegungsabläufen, das sich, von der Musik unbeeindruckt, immer wiederholt. Wenn in der Percussion plötzlich ein aggressives Rock-Intermezzo die Beschaulichkeit stört, behält die Tänzerin ihre fließend weichen und ach so schönen Bewegungen bei. Auch auf die experimentellen Elemente in der Musik reagiert sie nicht. Zart und ätherisch wandelt sie durch den Raum mit einem freundlich gefrorenen Lächeln. Kraftvolle oder eckige Figuren fehlen genauso wie Kontraste im Ablauf. Ob ein zarter Wind streichelt oder ein Sturm über die Lavendelfelder fegt, die Ruhe der Tänzerin bleibt davon unbeeindruckt.
Riki von Falken verabschiedet sich mit diesem Soloabend von der Moderne, von der Suche nach Ausdruck und der Darstellung menschlicher Existenz. Ihre Ästhetik erreicht aber keine neuen Ufer, sondern erscheint merkwürdig rückwärtsgewandt. Bei Schlafstörungen zu empfehlen. Christine Hohmeyer
Heute, 20 Uhr, Theater am Halleschen Ufer (32), Kreuzberg
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