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SanssouciVorschlag

■ Altersweise: Steve Wynn und House of Freaks im Huxley's

Irgendwann kommt in den frühen, fast noch unbefleckten Spannen des Lebens unwiderruflich der Blick zurück: Die ersten Bilder der Vergangenheit tauchen auf, die Endlichkeit des Daseins drängt ins Bewußtsein. Kelche, die auch Rockmusiker leeren müssen, bloß daß manche von denen als große Verdrängungskünstler ewig jung weiterrollen, während andere diesen Themen ihren Sound widmen und schneller als erwartet zu weisen alten Männern (oder Frauen) des Rock 'n' Roll werden.

Zu letzterer Kategorie gehört auch Steve Wynn. Mit seiner Band „The Dream Syndikate“ spielte er in den Achtzigern leicht psychedelisierten, krummen und staubigen Rock, der genausoviel von den Byrds wie von den Stones der 70er hatte und als Paisley-Sound ihre Fußnote in der (Musik-)Geschichte erhielt. Wegen Erfolglosigkeit, ewigen Underground-Kultstatus und Troubles mit den Plattenfirmen hatte Wynn dann eine üble Phase, in der er als Soloartist hin und her schlingerte zwischen den faulen, jugendlichen Wurzeln und abgehangenem, mittelmäßigem Singer/Songwritertum.

Jetzt, mit seinem dritten Soloalbum „Flourescent“, dockt er jedoch rechtzeitig in den weisen Häfen des Alters an, strotzt vor milder Nachsicht mit sich und seinen paar Irrwegen und hat zu einer ausgereiften Lockerheit gefunden. Zumindest klingen die Songs auf disem Album so: ruhig, sanft und gelöst. Das stachelige, krächzende Timbre seiner Stimme hat sich dem angepaßt, ist maulvoller, warmer Zuversicht in den natürlichen Lauf der Dinge gewichen. Und das drückt Wynn am besten in einem Song namens „Older“ aus, wo er erst erschreckt konstatiert, „now that you're older and the mornings are colder and the lights are less forgiving“, dann aber zögernd seinen Frieden damit schließt: „Oh, it's not so bad what you had to face in the mirror.“ So ermuntert, lassen sich manche Unabänderlichkeiten viel leichter angehen, seien es die both ways der Liebe, „what ended with a lawyer started with a kiss: she got fired an I got dropped“, die er zusammen mit den Kumpels Prophet und Cacavas analysiert, seien es die von vornherein zum Scheitern verurteilten Ausreißversuche, schön zusammengefaßt in der Zeile: „I wish I had a better story to tell you, but sometimes things don't work out just the way they should.“ Der Jahreszeit sind solche Einsichten sowieso gemäß, und Musik wie die von Steve Wynn macht dann wenigstens ein bißchen froh. Gerrit Bartels

Heute, 21 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108-112, Neukölln.

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