Sanssouci: Nachschlag
■ "Wie es ihr gefällt" - und das SO 36 sang mit!
„Stimme allein ist nicht alles, man muß sie auch nutzen. Zum Schreien. Zum Singen, um das zu sagen, was gesagt werden muß“, meinte eine Besucherin des Musikerinnenfestivals „Wie es ihr gefällt“, das am Wochenende zum 4. Mal im SO 36 stattfand. Enttäuscht wurde sie nicht.
Den Auftakt machte das kongeniale Duo der holländischen Komponistin und Bratschistin Ig Hennemann und Mary Olivier an der Geige. Mit den ähnlichen klingenden Instrumenten spielten sie alle Facetten eines Dialoges zwischen zwei Menschen durch, die sich lieben: gebrochene Kommunikation, Streit, die Suche nach Nähe und gleichzeitig Distanz. Sphärische Elektronik des Duos Ana Homler/Viola Kramer und Big-Band-Rhythmen umrahmten danach die Diva des Abends, Ida Bittova-Kellerova. Schon der erste Schlag aufs Klavier, der erste heftige Gesang drangen bis in den hintersten Winkel des SO 36. Ihre auf Zigeunermusik basierenden Stücke lassen Lebensfreude zu – trotz oder gerade wegen der artikulierten Wirklichkeit. Sie, deren Wurzeln teilweise der Romakultur entstammen, könnte eine Revolution mit ihrem Gesang anzetteln. Immerhin schafft sie es, das ganze Publikum – darunter natürlich viel Kreuzberger Coolness – zum Singen zu bringen. Und wer hätte gedacht, daß es einer anderen Diva zwei Tage später ebenfalls gelingen würde.
Dazwischen lag ein Abend mit explodierender Rockmusik: Die Frauen der Berliner Band „Honey Suckle Roses“ suchten den Austausch mit dem Publikum. „Es ist alles so hart geworden, so gnadenlos, da muß die Musik etwas hergeben können“, sagt die auf das Schlagzeug einhämmernde Sabine Hetzler. Ganz anders die Musik der Gruppe „Echo Return“, die bei „Wie es ihr gefällt“ ihren letzten Auftritt hatten. Im Anschluß daran rappte sich die Schweizer HipHoperin Debbbie Dee durchs Programm. Die Frage, ob es legitim ist, als Weiße die Kultur der Schwarzen zu verarbeiten, blieb irgendwie im Raum hängen.
Der folgende Abend brachte „Verwegene Kontraste“. Nach der italienischen Band Fastilio, die aus dem Fundus von Rock, Jazz, Klassik und Folk schöpften, zog die Berlinerin Hilde Kappes alle Aufmerksamkeit auf sich. Als Ton- und Spracherfinderin, humoristische Potpourristin aller Chansons der Welt, Lachanimateurin und Röhre, die auf Schläuchen singt, bringt sie das Publikum zum Lachen, zum Johlen und dazu, ihr den musikalischen Background zu singen, auf dem sie improvisieren kann.
Die Bereitschaft der BesucherInnen, sich auf das Unerhörte und Ungehörte einzulassen und mit den Musikerinnen zu kommunizieren, ist die größe Stärke des Festivals. ZuschauerInnen diskutierten mit den Veranstalterinnen, Musikerinnen treffen sich untereinander und lassen sich von einem neugierigen Publikum verwöhnen und umgekehrt. Das ging so weit, daß die Rocklady Lynne Messinger nach ihrem Konzert alle einlud, hinter die Bühne zu kommen, um mit ihr zu feiern. Waltraud Schwab
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