Sanssouci: Vorschlag
■ Läßt Königreiche brennen: Smog auf der Treptower Insel
Auch wenn viele junge, aufgeklärte, zeitgeistbewußte Menschen heute lieber den Hosengrungern von Stiltskin ihr Geld in die Tasche stecken; auch wenn diese fast allein durch Werbung gefeaturte und geklonte Band selbst der Rockmusik völlig verständnislos gegenüberstehenden Leuten ein Begriff ist; auch wenn man selbst im fernen Neukölln – sagen wir in Lokalitäten wie dem Blauen Affen, dem Hammer oder Dry Zehn – mit Levis und „Inside“ keine Berührungsängste hat: Ans Herz gelegt und vorgeschlagen werden soll hier trotzdem die abgerüstete, abgefieselte und doch voller Leben und Überraschung steckende Außenseitermusik von Smog. Diese firmiert seit kurzer Zeit identitätsstiftend und vereinfachend unter den Labels Low-Fi und Homerecording und wird in liebevollen Ausgrabungen frustierten, weil hungrigen Rockisten erschlossen.
Smog ist eigentlich ein Mann namens Bill Callaghan. Dieser machte sich als vergessenes und alles andere als verhätscheltes Kellerkind seine kruden Gedanken zu Welt und Pop, ging daraufhin radikal auf Kollisionskurs mit der Sonne und vertonte zahlreiche einsame Reisen durch sein Zimmer. Mit dem Album „Julius Cesar“ konnte man sich erstmals auch in Europa anschließen, und zwar an eine Art Prä-Beckschen Ursound, der allerdings nichts auf Dylan, Blues oder Jazz gibt und allamerikanischen Traditionenen null Referenz erweist – höchstens als gesamplete Stones-Auslaufrille oder zwischengeschaltetes „sexy motherfucker“, dem ein trockenes „When The Power Goes Out“ folgt.
Smog alias Bill Callaghan Foto: promo
Daß sich so was nicht an die Außenwelt wendet, dürfte klar sein, ebenso, daß da keine Klänge bei rumkommen, die auf die schnelle für Fünfmarkdreißig begeistern: Kein Appell an kollektive Gefühlsausbrüche, sondern kühle, eigenartige, wahrhaftige Individualität, fokussiert in Songs, die nicht selten als gitarrenverstärkte Zitherpartien, als pointiert cellistische Tonsetzereien organisiert sind: abgeschieden, etwas bedrohlich, düster unversöhnlich, dann aber wieder brachial und leckerschmeckerisch. Zwei, drei Akkorde, und schon brennen Königreiche, gehören Universen dir ganz allein! Bill Callaghan nennt es klassische Kammermusik, was durchaus im doppelten Sinn zu verstehen ist. Gerrit Bartels
Smog spielt heute, um 20 Uhr, in der Insel, Alt-Treptow 6.
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