Sanssouci: Nachschlag
■ Benno-Ohnesorg-Theater diesmal mit Matthias Wedel
Eigentlich sind mir ja „deutsch-deutsche Befindlichkeiten“ seit jeher ein Graus – zumal als Thema für einen „heiteren Satire- Abend“. Also schleppte ich mich eher widerwillig in die Volksbühne, um einer weiteren Runde im allmonatlichen Schaukampf des Humorvergleichs im Rahmen des Benno-Ohnesorg-Theaters beizuwohnen. Im November hatte sich der Westfale Droste noch mit dem friesischen Ernst Kahl herumschlagen müssen. Mit Holsteiner Interna und kokett-naiven Dia-Kurzfilmen schlug er immer wieder Haken und ließ Droste mit seinen scharfkantigen, aber vom Blatt gelesenen Kopfgeburten im Regen stehen.
Diesmal hatte sich Droste berechnenderweise einen schwächeren Gegner in den Ring laden wollen: Mathias Wedel, geboren 1953, Haus-Satiriker beim Neuen Deutschland. Dessen Buch „Einheitsfrust“ war von Henryk M. Broder für den Spiegel gleich zweimal besprochen worden: zunächst emphatisch als Ausnahme-Satiriker gelobt, ließ Broder seinen Schützling nach dem Bekanntwerden angeblicher Stasi-Verstrickungen fallen und schimpfte ihn „Wiedervereinigungsgewinnler“. So weit unter die Gürtellinie seines Gegners wagte sich Droste nicht – vielleicht aus Angst, die Rede könnte dann auch auf seine kürzlich enthüllten Wehrmachts-Kneipenwitze kommen. Ansonsten hatte man sich für den Abend viel vorgenommen: „versöhnen“ wolle man sich am Schluß, wenn nicht sogar „verbrüdern“ und das die gespaltene Nation repräsentierende Berliner Publikum gleich mit. Zuvor sollten aber sämtliche „Befindlichkeiten“ auf den Tisch kommen, keine Wahrheiten unausgesprochen bleiben.
Und da zitierte Droste wieder mal seine Prophezeiung vom Juni '89, als er ein Hohelied auf die Mauer sang („nicht edel, aber hilfreich und gut“), denn: „Lieber jeden Tag Schüsse an der Mauer, als noch ein erwürgter Asylbewerber in einem Westberliner Supermarkt“. Dann griff er kräftig zur Weinflasche, während sich Wedel noch Mineralwasser nachschenkte und die „ostdeutsche Identität“ vor dem Zugriff der Wessis verteidigte. Diese habe sich z.B. durch Glasvitrinen-Kitsch definiert („Weimarer Zwiebelzöpfe“) – als „Gegenstück zu den Perversionen der westlichen Moderne“. Droste mochte bei den Pointen seines Nachbarn ein noch so schmerzhaft verzerrtes Gesicht machen, ihn beim Lesen stören, nervös im Manuskriptberg blättern – Wedel hatte dennoch die Lacher auf seiner Seite. Und wenn auch widerwillig – zum Schluß mußte Droste doch die Arme heben, zur „kollektiven Versöhnung“. Noäl Rademacher
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen