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SanssouciNachschlag

■ Wer's jetzt nicht schafft, den Nachttisch zu entrümpeln ...

Lesen tut schon lange keiner mehr, das wissen wir alle. Und das ist vielleicht auch gar nicht so schlimm, gäbe es bloß nicht die Haufen. Haufen, allüberall, Haufen. Sie kennen das. Zeitungsstapel mit aussortierten Artikeln, die man sorgfältig heraustrennt, da für gewichtig befunden und für ruhige Lektüreminuten vorgesehen hat. Das Ganze in einjähriger akribischer Sammelwut und Lesezeitlosigkeit zu Haufen gestapelt. Doch jetzt, nach den Feiertagen, ist nicht mehr daran zu rütteln: die Literaturbeilage der Zeit, nein, seien wir ehrlich, die Literaturbeilagen der Zeit, der Plural ist unumgänglich, diverse Fachzeitschriften, von exzellenten taz-Kulturseiten mal ganz abgesehen – sie wandern alle zum Altpapier. Wie schnell Papier doch gilbt, denkt man noch, oder ist es gar das aufgesogene Nikotin? Doch jetzt nicht grundsätzlich werden – Altpapier. Es finden sich auch Hintergrundseiten zu Politik und Wirtschaft. Doch ein Blick genügt: den Staat gibt's unter diesem Namen sowieso nicht mehr. Dieses Kompendium des verlorengegangenen Wissens, fast schon eine Anthologie, wird nun gebündelt in Papiercontainern verklappt.

Doch es finden sich weitere Haufen, Bücher stapelweise. Gerne hätte man sie alle mit Begierde gelesen. Doch im Gegensatz zu den Zeitungen wandern die Bücher durch die Wohnung. Die Wissenschaft, sonst an Abläufen solcher Art sehr interessiert, liegt hier im argen. Niemand untersucht, welche Wege ein Buch in einer Wohnung zurücklegt. Man denke zum Beispiel an die interessante Untersuchung, in der die Reise eines Joghurts von der Milchkuh über die in Italien produzierte Plastikverpackung bis zur Auslieferung analysiert wird – über tausend Kilometer addieren sich dabei linksdrehend.

Dagegen der Weg eines Buches an die Bettkante: Welchen intellektuellen Stapelwanderungen wird es unterzogen? In der Regel führt die Umsortierung vom Schreibtisch zum Stapel im Wohnzimmer, zwischenzeitlich plaziert in Küche und Klo, bis zum Bett. Erst von hier darf es, am besten zum Jahreswechsel, endlich ins verdiente Regal. – Von wegen „vom Nachttisch geräumt“! Wohin? Ungelesen? So ein Kolumnenartikel riecht nach Euphemismus. Auf jeden Fall verbreitet er schlechtes Gewissen. Nur die Titelillustrationen haben sich einem auf dem langen Weg unauslöschlich ins Gedächtnis gegraben. Beim nächsten Umzug nimmt man so ein Exemplar aus dem Regal, keinerlei Erinnerung verbindet man damit. Nur der Einband kommt einem vertraut vor. Man möchte meinen, es sei vielleicht sogar ein ganz wichtiges Buch, ja vielleicht ein einschneidendes Werk gewesen, dessen Inhalt man gerade nicht präsent hat. Und freudig legt man's in die Kiste. Caroline Roeder

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