Sanssouci: Vorschlag
■ Familiales Abendmahl: Stephan Jung bei Eigen + Art
Stephan Jung: Family Picture, 1994.
Ich hätte gewettet, die Familie am Tisch sei eine amerikanische aus Life Magazine. Aber Stephan Jungs Doppelporträt zeigt eine deutsche Genreszene mit Papa, Mama, Teenagertochter und zwei jüngeren Brüdern. Der Irrtum ist erklärlich: als Vorlage diente eine hiesige Postkarte aus den 50er Jahren. Auf zwei riesigen Leinwänden, die bei Eigen + Art die ganze Wand einnehmen, ist also zweimal die gleiche Familie zu sehen, wie sie sich harmlos um einen Tisch mit Globus, Kunstzeitschrift und Bilderbuch gruppiert. Kleinere Formate umgeben die doppelte Familie wie ein Rahmen und zeigen eine reichhaltige Palette aller möglichen Konsumprodukte, wie Wasch-, Näh-, Schreibmaschine, Heimfahrrad, Compact-Stereoanlage, Werkzeugkoffer, Sony- Walkman, Herd, Barbiepuppe oder Campingwagen. Diese Dinge hat Stephan Jung einem aktuellen Versandhauskatalog nachgemalt. Interessant zu bemerken, daß das Produktdesign der 50er Jahre noch immer virulent ist, nur das Familiendesign der 50er Jahre hat nicht standgehalten. Weil der von Jung gezeigte Tisch, an dem der Vater mit seiner Familie motivhistorisch Christus und seine Jünger beim letzten Abendmahl vertritt, nicht mehr existiert, kennt die heutige Ikonographie Familien nur noch bei sogenannten Outdoor-Aktivitäten. Man erinnere sich an diverse Wahlplakate, auf denen mitunter der CDU/CSU-Ballon, dem Jung auch ein kleines Bild widmet, zu sehen war.
Stephan Jungs Doppelporträt, einmal farbig und einmal grau in grau ausgeführt, könnte auch Gerhard Richter zitieren. Aber Malweise wie Motiv sind nihilistischer als bei Richter. Jungs Pinselstrich ist nicht so hyperperfekt und romantisierend, das Motiv der Familie erübrigt Blutspuren und ermordete Frauen. Bei Jung konterkariert das Sujet nicht die Kunst des Malens. Sein Malen zielt auf das Sujet. Etwa, wenn er ein Polizeiauto schnittig formatfüllend zum grauen Gemälde gestaltet. Ein Polizeiauto ist keine Rührmaschine. Mit minimalen formalen Abweichungen akzentuiert Jung die kontextuellen Verweise. Und er tut es lässig: Weil bei Eigen + Art ein Deckenbalken seinem Bildrahmen in die Quere kommt, hat der dort eben eine Lücke. Und ein nicht ausgemalter, weiß ausgesparter Computer fällt ebenso aus diesem Rahmen wie eine unerwartete Abstraktion. Brigitte Werneburg
Bis 11.2., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr, Auguststr. 26, Mitte.
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