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■ Schwitzende Rockismen erscheinen als Treppenwitze: Bobby Sichran im Huxley's Junior

Sollte Bobby Sichran jemals ein großer strahlender Popstar werden, um eins braucht er sich bestimmt nicht zu bemühen: Um eine legendäre Geschichte für den Start ins Business. Als Sechzehnjähriger nämlich begeisterte er sich 1987 enorm für Public Enemys „Yo! Bum Rush The Show“, und als er merkte, daß die in Brooklyn drei Straßen weiter ihre Homebase haben, besaß er in seinem jugendlichen Übermut auch noch die Dreistigkeit, dort einfach mal hallo zu sagen und den Meistern auf die Finger zu schauen. So was prägt natürlich, und in der Folgezeit streunerte Sichran als Fan und Musiker in New Yorker HipHop-Kreisen herum, spielte mal die Gitarre für Songs von Das EFX, nahm Demos für Jeru The Damaja auf oder moderierte HipHop-Sendungen im Radio.

Mit seiner ersten eigenen Platte hat er sich nun selbst aus dem großen Warenkorb der Popgeschichte bedient: Da wird ganz unterschieds- und zwanglos geklaut, von James Brown und den Pointer Sisters, von Barry White und den Boogie Down Productions, werden African Bambaata, die öden Talking Heads und der noch ödere Tom Waits gesamplet; da wird ein Song verdubt und abgerockt und ohne Zögern „Freedom Is Calling“ genannt; und schließlich meint der Mann auch noch, seine ehrfürchtigsten Referenzen dem Blues widmen zu müssen – denn trotz Public Enemy und HipHop Never Stops heißt sein ältester Held Robert Johnson.

Das erinnert zuerst zwar alles ein bißchen an Woolworth und White trash, an Wühlen und Nicht-zueinander-Passen, doch Sichran gelingt es, seine auseinanderdriftenden Einflüsse zu überaus organischer und einheitlicher Musik zu verarbeiten. Durch alle Songs schlängelt sich eine coole, abgehangene, jeder Swinger-Bar gut den Raum füllende Atmosphäre. Sichran spricht und singt seine Lieder mal monoton, mal unbeholfen schmachtend, doch immer so charmant, daß beim Hören selbst Easy listening und Blues zusammengedacht werden können. Bei ihm rollt Erinnerungslosigkeit durch die Geschichte, und Schwergewichtiges wie Verzweiflung, Wut und schwitzende Rockismen erscheinen nur noch als sehr, sehr schlechte Treppenwitze. Damit das auch ein paar Leute mitkriegen, taucht Bobby Sichran nach seinem November-Gig im Huxley's jetzt schon wieder in der Stadt auf, diesmal mit größerer Mannschaft und vielleicht ein paar mehr Maschinchen. Gerrit Bartels

Bobby Sichran: morgen, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln

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