Sanssouci: Vorschlag
■ "Passages into manhood" - Filme rund ums männliche Geschlecht
Zeigt her eure Schwänzchen! Doch unter dem speckigen Bauch kommt nur ein kleines Etwas zum Vorschein. Daß in der frühkindlichen Sexualität neben Freud und Leid auch freudiges Leid eine tragende Rolle spielt, ist im Programm „Passages into manhood“ nachzuschauen. Vier kurze Kompilationsfilme zeigen die Sexualität als nackten Horror.
Zwiespältige Lust geht von den unendlichen Reihen bloßer Popöchen aus, die sich in „René, René, Qu'est-ce que c'est?“ der Kamera entgegenstrecken. Bretter, Gürtel, Dornenbüsche, Gerten, Stöcke, Ruten und Ruder sausen auf die bedauernswerten Bäckchen herab. Das Malträtieren des Allerwertesten entpuppt sich gar als zentrales Motiv vermeintlich unschuldiger Kinderserien, züchtiger Meßdienerdramen und Pennälerfilme.
Regisseur René Broussard suchte sich die kleinen Ärsche auf Streifzügen quer durch die Filmgeschichte zusammen und kombinierte sie mit Fotos aus der eigenen Kindheit zum ersten Teil der autobiographischen Studie „The Fatboy Chronicles“. Zufrieden lümmelt der kleine René mit einem Freund auf der Parkbank. Stolz hat er den Arm um den Kumpan gelegt. Die Kamera gleitet seinen Bauch hinab, verfängt sich in Renés geöffnetem Hosenstall. Von Foto zu Foto wird René dicker. Aus dem Off erzählt er, wie er sich immer nur in Kameraden gleichen Körperumfangs verlieben konnte: Narzißmus, der das homoerotische Begehren in die Hüftringe projizierte.
Mit einer Stummfilmszene liefert sich Broussard kurzerhand den schlagenden Beweis der eigenen Theorie: Zwei dicke Jungs spielen Fangen und ziehen sich gegenseitig die Hosen runter. Weniger explizit geht es in „The Smell Of Burning Ants“ von Jay Rosenblatt zu. Aufnahmen von Kröten, Kaninchen, Skorpionen, Katzen und Mollusken verbinden sich zu organisch wabernder Fleischlichkeit. Als unsichtbare Macht nimmt die Sexualität das Kind in Beschlag, legt sich als bedrohlicher Schatten über die Bilder.
Auch Rosenblatt verwendet gefundenes Filmmaterial. Das polymorphe Begehren, konstatiert ein Kommentator, finde nie Gelegenheit, sich frei zu entfalten: „Jungs werden Jungs, weil man ihnen sagt, daß sie keine Mädchen seien. Später sind sie mit Frauen zusammen und erfahren, was ihnen vorenthalten wurde.“ Der Frust schlägt um in Lust an der Aggression, deren Formen Rosenblatt mit nüchternem Ethnographenblick beobachtet. Immer wieder tyrannisieren böse Buben andere Buben. Auch zu Hinrichtungen kommt es, wenn auch nur in Form von Ameisenautodafés. Anke Leweke
„Passages into manhood“: heute um 20 Uhr mit Einführung durch den Regisseur und Kurator René Broussard. Kino Arsenal, Welser Straße 25, Schöneberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen