Sanssouci: Vorschlag
■ Es gibt sie noch: The Leather Nun aus Schweden im Loft
Daß es die auch noch gibt! Fünfzehn Jahre lang rollen die schwedischen Leather Nun nun schon massiv und schwer auf den Straßen des Rock, und das ist jetzt nicht nur als handelsübliches Bild zu betrachten: „Live To Ride“ hieß der Dauerbrenner in ihren Songs, da konnte man sich auch beim Hören blendend auf schnurgerade, einsame, lange Straßen versetzen und fahr'n, fahr'n, fahr'n... Dazu kam, daß The Leater Nun das durchaus nachlebten: Sänger und Oberposeur Jonas Almquist war lange Zeit Redakteur einer Motorradzeitung, regelmäßig spielte die Band auf skandinavischen Hell's-Angels- oder Biker-Treffen, und genauso roadmovie- und rock'n'roll-lifestyle-mäßig gestalteten sie ihre Touren: Da wurde gespielt, getrunken, gefeiert und schließlich alles kurz und klein gehauen. Erst die Sau rauslassen, um später die schlecht beleuchteten Hinterzimmer in den verranzten Absteigen und die Liebe in selbigen per Cover oder Song zu ästhetisieren, das war das eine.
Darüber hinaus versuchten die sich ihrer Rock'n'Roll-Geschichtslosigkeit nur zu bewußten Schweden, besonders in ihren großen Momenten in den Achtzigern, musikalische Bewegung nachzubilden, die Geschichte der Heroes aus den großen alten Zeiten weiterzuschreiben: David Bowie, Iggy Pop, Lou Reed, dieses Dreigestirn spukte in den Köpfen und im Sound von Leather Nun herum. Glamour und Show hieß das, Schweinerock, Punkrock, Underground (Velvet) „Committed to a life in a John Cougar (Mellenkamp) Video“, so hieß in „Pink House“ die Horrorvision, gegen die Leather Nun beständig anspielten.
Zwischenzeitlich flüglerten sie gar mal in groovige Dance- Rock-Gefilde aus: Die 87er LP „Steel Construction“ war das böse, den Dumpfbiker vor den Kopf stoßende, intelligente Pop- und Rockalbum. Vier Jahre später legten sie dann so 'ne Art mildes Alterswerk hin, „Nun Permanent“, produziert von Mick Ronson, dem ehemaligen Bowie-Begleiter. Und dort gab es neben den üblichen Losgehnummern ihre bisher wehmütigsten Lost-and-Found-Balladen, bevorzugt eins thematisierend: Girls – ohne daß dabei gleich die große Pein entstand.
Hört sich jetzt alles ein wenig nach Nekrolog an – ein neues Album gab es schließlich schon vier Jahre nicht mehr – und so richtig wichtig oder wegweisend war diese Band auch nie. Doch wenn man das ganze Leather-Nun-Zeugs anläßlich kleiner Jubiläen mal wieder auflegt, dann hat man für kurze Momente das schöne, zeitlose Gefühl, die arschcoolste und gleichzeitig berührendste Musik auf dem ganzen Planeten zu hören. [Na, ham wir's nicht was kleiner?? d. säzzer] Gerrit Bartels
The Leather Nun, morgen, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.
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