Sanssouci: Nachschlag
■ Spaßhuren im "Erzähl-Caf" im Weddinger Bürgersaal
Kennen Sie die zwei Hauptgruppen der Damen des horizontalen Gewerbes? Es gibt die Spaßhuren und die Ernsthuren. Letztere sind die, die ihren Körper aus finanzieller Not feilbieten müssen. Die anderen erstürmen jetzt in Scharen das Spätprogramm der Talkshows und erklären dem wirklich erstaunten Moderator, daß eine Hure zwar nix mit der Liebe am Hut habe, die Sexarbeit dafür aber mit sehr viel Spaß verbunden sei. So waren sie denn auch schon aufgeklärt und ohne Berührungsängste, die Erzieherin und die Bankkauffrau, die Rentnerin und der Rentner im 161. Erzähl-Café im Wedding. „Wir beißen auch, aber nur für viel Geld“, versicherte ihnen die französisch-deutsche Sexpertin Laura Méritt. Ihre holländische Kollegin Maxi fügt das Motto des Abends hinzu: „Jetzt heißt es Löcher stopfen“.
Ausnahmsweise sind es Wissenslöcher, die es aufzufüllen gilt. „Hure“ oder „Sexarbeiterin“ möchten sie genannt werden, das Fremdwort Prostituierte zeige zu sehr den gesellschaftlichen Wunsch nach Verdrängung in die Schmuddelecke. Maxi („Ich war ein geiles junges Mädchen, und viele Männer waren hinter mir her, bis mir einer einen Hunni zugesteckt hat.“) und Laura (mit ähnlichem Karrierebeginn) geben sich selbstbewußt. Wenn eine Hure aussteigen wolle, sei sie aufgrund ihrer Erfahrungen für viele Berufe qualifiziert. „Wir sind gute Geschäftsfrauen, weil wir über jedes Körperteil verhandeln müssen.“ Ihren beruflichen Auf- oder Umstieg sehen sie auch als Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen oder als Begleiterinnen in den „Bumsbombern“. Mit Hur-Tours haben die beiden als Stadtführerinnen in Berlin-Mitte schon seit zwei Jahren Erfahrungen gesammelt.
„Geschichten aus dem Milieu von gestern, morgen und übermorgen“ wollen sie auch diesen Sommer wieder zwischen Oranienburger Straße, Friedrichstraße und Alex präsentieren. In den „goldenen Zwanzigern“ ging es in den Absteigen „wie im Taubenschlag“ zu, und die Damen nannten sich „Knochenrike“ oder „Tusnelda“. In der Nazizeit („Wir hatten immer ein gewisses Widerstandspotential“) versteckten einige Huren Juden. Und im Sozialismus frönten die Trabifahrer der öffentlichen Fleischeslust in der Oranienburger Straße. „Gibt es nicht auch Frauen, die gezwungen werden, auf den Strich zu gehen?“ – „Ja schon“, sagten die Spaßhuren. Elke Eckert
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