Sanssouci: Nachschlag
■ Käthe Be ließ seine Filmplattensammlung hören
Kolossal klebrig erklingt, auf Zimmer Nummer 3, „Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft“. Urheber des Kompotts: James Last. Zwei Frauen drehen einen wackligen Walzer dazu, womöglich schwipsbedingt. Zum Macho-Tremolo des Telly Savalas und seinem „Einsatz in Manhattan“ fällt den Damen kein passender Schritt ein, weshalb sie sich fallen lassen ins muffende Hotelinterieur, Marke Gelsenkirchener Barock. Wozu die Berlinale zehn Tage braucht, das schaffte Käthe Be in zehn Stunden und zwei Tagen. Er ließ 550 Filme aufleben – akustisch freilich nur. „Komm, ich zeig' dir meine Plattensammlung“ – mit dieser schlüpfrigen Aufforderung lockten Käthe Be und seine zwei ständig strahlenden Zimmermädchen Rebecca Riedel und Yesim Zolan ins Hotel Nürnberger Eck. Jeden Gast empfingen die Servicedamen formvollendet mit der existentiellen Frage „Wollen Sie ablegen?“ und mixten ihnen zu Aldi-Preisen Drinks. So lümmelten sich die optisch überfütterten Berlinale-Billettbesitzer auf dem zerwühlten Pensionsbett, hefteten den Blick auf eine abenteuerlich geblümte Tapete – und ließen sich von Käthe Be ins Reich der Hörsinne einführen.
Fünf Stunden lang bediente er, im zurückhaltend gestreiften Schlafanzug, Platten- und CD-Spieler. Was Sie schon immer über Filmmusik wissen wollten, Käthe Be verriet es und plapperte, musikalisch entsprechend begleitet, von Apokalypse Now, Winnetou, Barbarella, Kir Royal, Marnie, Einer flog übers Kuckucksnest und Inspektor Clouseau. Im Kleiderschrank flimmerten tonlos Pippi Langstrumpf und Audrey Hepburn. Wenn die Beine der Zimmermädchen schmerzten, hockten sie sich, Pausenzigaretten paffend, auf die Bettkante, öffneten die Schranktür und guckten fern. Einmal verließ Yesim Zolan ihre nonnenartige Conténance und trällerte den Chor von „Manni, der Libero“ mit. Auch das war erlaubt. Wer wollte, durfte den kahlköpfigen Käthe Be um einen Hörwunsch bitten. Das taten allerdings nur Fortgeschrittene, denn viele waren zunächst geschockt, als sie das 28 Quadratmeter große Einzelzimmer betraten. „Die dachten, sie platzen in irgendwas Privates rein“, erklärt sich Käthe Be die vereinzelt Verhuschten. So war die Betreuung der Zimmermädchen sehr feinfühlig. Selbst Gäste mit halbvollem Glas wurden nach dem nächsten Wunsch gefragt, wer zaghaft zum Martini um eine Extra-Olive bat, bekam ein Extralächeln dazu, und bedingungslos bestimmt bugsierten sie die Gäste um 21 Uhr aus dem Hotel. Auch Zimmermädchen haben schließlich ein Recht auf Feierabend. Thorsten Schmitz
Noch zweimal: Am 15.2. und 18.2., jeweils ab 22 Uhr im Goldenen Hahn, Pücklerstraße 20, Kreuzberg. Eintritt frei!
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