Sanssouci: Nachschlag
■ Urs Widmers Clownsstück "Nepal" im theaterforum
Zwei Vagabunden haben sich in ein Theater geflüchtet. Sie träumen von der Ferne und fürchten sich vor dem Weg zum nächsten Bahnhofskiosk. Sie denken sich kleine absurde Theaterstücke aus und spielen komplizierte Sprachspiele. Sie würden gern die Welt retten, aber von draußen kommt nur bedrohlicher Lärm. Die Wirklichkeit ist ausgesperrt, das Traumland unerreichbar. Wie könnte es auch anders sein, sind doch die beiden Sonderlinge ganz und gar aus Papier gemacht. Wenn man Urs Widmers „Nepal“ liest, ist die Leblosigkeit der Figuren noch erträglich. Aber im Theater raschelt es vernehmlich. Um Hans und Heinz ein wenig Leben einzuhauchen, brauchte es einen phantasievollen Regisseur und hervorragende Schauspieler.
Im theaterforum Kreuzberg treten zwei in zu weiten Anzügen und Ringelsocken auf. Sie strecken den Steiß heraus, rollen die Augen und reden so betont naiv und überdeutlich wie just die Sorte Clowns, die Kinder überhaupt nicht leiden können. Barbara Exo hat im Zirkus Roncalli angefangen und ist unter anderem in Kindertheateraufführungen aufgetreten, Heidrun Rosowski hat sich beim Off-Theater und dem neuen deutschen Film umgetan. Beide Schauspielerinnen sprechen ihren Text so schnell und lieblos weg, daß von Widmers Sprachwitz wenig übrigbleibt. Auch auf den Dialekt, der dem Schweizer Original und der Frankfurter Fassung Farbe gab, hat man hier verzichtet. Zwei Frauen spielen Männerrollen. Aber Hans und Heinz machen ohnehin nicht viel Aufhebens von ihrer Männlichkeit. Um den schwachen Kontrast zwischen Geschlecht und Rolle zu erhöhen, schickt Regisseur Max Heller seine Schauspielerinnen ans Pinkelbecken. Ein grader dünner Strahl und ein wilder plätschernder halten das Publikum eine Weile bei Laune.
Insgesamt ist das Kreuzberger Nepal dröge wie die Wüste Gobi, in die Hans sich hineinträumt. Wie in jeder Wüste gibt es ein paar Oasen. Eine wird erreicht, wenn die beiden die Besteigung des Matterhorns inszenieren. Der eigentliche Held der Aufführung aber ist der Lärm, der nicht nur Hans und Heinz das Fürchten lehrt. Die Mischung aus Baustellen-, Maschinen- und Fluglärm klingt wie ein Destillat des Berliner Alltags – und ist das einzig Wirkliche an dieser Papiergeburt. Miriam Hoffmeyer
Bis 26. 2., 2.–5., 10.–12. 3., 20 Uhr, theaterforum Kreuzberg, Eisenbahnstraße 21, Kreuzberg
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