piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ Mit mir schon lange nicht mehr – Fasnet, nein danke

Am Rosenmontag Foto: Holger Floß

Manchmal begegne ich in Süddeutschland Menschen, die mich leicht skeptisch, ungläubig lächelnd ansehen und mich für sehr sonderbar halten, wenn ich erzähle, daß ich vor acht Jahren zum letzten Mal ... Schweißausbruch und Erklärungsnotstand meinerseits folgen. Wie bitte soll ich erklären, daß mir das Spaßereignis des Jahres nichts bedeutet? Daß auch die Aussicht, mal wieder als Indianerin, Nutte, Ölscheich oder Dandy durch die Straßen zu ziehen, nur mäßig spannend ist? Daß mich auch mein Hexenkostüm samt schaurig verwarzter Maske heute kaltläßt? Daß mein Interesse an der Fasnet nur lau ist, obwohl sie früher doch unzählige Premieren an oralen Genüssen lieferte?

Seitdem meine Eierlikör- und Apfelkornzeit weit hinter mir liegt, seitdem ich weiß, daß „Guetsle“ (vulgo: Bonbon) kübelweise genossen nur den Magen verkleben, daß der Zungenkuß (meist) auch außerhalb der Fasnet schmeckt, die erste Zigarette auf meiner letzten Fasnet vor acht Jahren sowieso ein Fehler war und alle anderen fasnetlich-oralen Premieren dem Vergessen anheimfielen, seitdem habe ich definitiv keine Lust mehr, auf schlechthin das Beziehungsanbahnungsereignis im ländlich schwäbisch-alemannischen Raum zu gehen. (Selbst wenn ich mir einbilde, heute den volltrunkenen, aber nur halbattraktiven Männern, die jedem weiblichen Wesen den Arsch betätscheln, einigermaßen angemessen kontern zu können.) Meine Aversion hat auch nichts damit zu tun, daß mein bester Freund damals vor acht Jahren besser mein bester Freund geblieben wäre (in so 'ner Sektlaune irrt man sich besonders in Liebesdingen leicht). Da er es heute jedoch wieder ist, kann ich das der Fasnet im nachhinein nicht verübeln. (An dieser Stelle möchte ich ihn – ausnahmsweise, das kommt bei mir sonst wirklich nicht vor – kurz grüßen: Sorry Jo, bin zur Fasnet nicht dort.)

So gelte ich denn als sauertöpfisch und hochnäsig, wenn ich es meide, in der „tollen“ Zeit den süddeutschen Raum zu bereisen. Fasnet, nein danke. Planmäßige Heiterkeit? Mindestens so aufgesetzt wie Weihnachten und Silvester zusammen. Im Schunkelschritt von langen „Kreuzberger Nächten“ singen, wo ich doch ganz genau weiß, daß die längst nicht mehr so lang sind (wozu die BVG nicht unwesentlich beiträgt)? Mich gar den volksverbindlichen Gefühlen hinzugeben, die ohnehin spätestens beim Fasnets-abschließenden Hexenverbrennen für ein Jahr schlagartig erkalten? Brr und Bäh! Soll ich etwa wieder, wie damals im pubertären Alter, voller Freude in das sinnentleerte Stammesgeheul „meiner“ alemannischen Eckhexen einstimmen, das da geht (nur damit Sie meine Haltung besser verstehen): „Ha ha ha – jö was saischd au?“ Auf eine Übersetzung verzichte ich hier, da ich mich noch gut an die Reaktionen norddeutscher Kurgäste erinnern kann, denen die Eingeborenen den Wortsinn erläuterten.

So liegt denn einiges im argen, was meine Fasnets-Vergangenheit anbetrifft. So viel sogar, daß ich nicht weiter darüber nachdenken möchte. Na, wenn sich das nicht zum Trauma auswächst, werden nun wohl einige LeserInnen denken. Hier möchte ich Sie jedoch ausdrücklich beruhigen, denn selbst im Schwäbisch-Alemannischen mehrt sich die Kritik an dem Ritus, wie ich bei der Lektüre der Schwäbischen Zeitung neulich erfreut feststellen konnte. Da beschweren sich doch solch ehrenhafte Zünfte wie Rottweil, Überlingen, Elzach und Oberndorf, daß sie sich immer mehr „unter einer Hudelware von Narrengesellschaften mit blödem Namen und noch blöderer Aufmachung bewegen müssen, so daß es einem wegen deren Aufmachung und Benehmen sowie der Verballhornung unseres Narrendaseins die Schamröte ins Gesicht treibt.“ Wie schön, daß ich das nicht erleben muß. Petra Brändle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen