Sanssouci: Vorschlag
■ Lexikon des Cajun: Les Blanks Musikfilm „I went to the dance“
Der amerikanische Regisseur Les Blank ist, seit er 1964 einen Film über Dizzy Gillespie drehte, der Musikgeschichte auf der Spur. Erst vor wenigen Monaten gab es eine Les-Blank-Retro im Arsenal, bei der wir uns über TexMex und Ry Cooder unterrichten ließen, jetzt zeigt das fsk „I went to the dance“ von 1989. Ob es Blank gelungen ist, wie er selbst meint, damit „den Film aller Filme“ über Cajun- und Zydeco-Musik zu machen, weiß ich nicht – ich kenne schlichtweg keinen anderen Cajun-Film. Dem Grundproblem des Musikfilms entgeht Blank mit „I went to the dance“ jedenfalls nicht: Musik läßt sich gut auf Plattenrillen pressen oder live auf der Bühne präsentieren. Im Film aber gibt es da meist diese Kommunikationsstörung, die einem – möchte man nicht nach der Vorstellung in einer Zwangsjacke stecken – ein wenig die Euphorie nimmt: klatschen verboten. Das ist nur bei Filmfestspielen und in der „Rocky Horror Picture Show“ anders, wo man ruhig seinen Vordermann rituell mit Reis bewerfen darf.
Les Blank verscheucht die Langeweile des abgefilmten Konzertes mit dem üblichen Hilfsmittelchen: Interviews mit den Musikern. Wichtig ist ihm dabei vor allem die Sozialgeschichte. So bekommen wir eine ziemlich umfassende Darstellung des Phänomens Cajun: Um 1750 lassen sich die Cajun, Nachkommen der von Briten aus Arkadien vertriebenen Siedler, in den fruchtbaren Sumpfgebieten Süd-Louisianas nieder. Außer ein paar Ackergerätschaften haben sie jede Menge Akkordeons und Fiedeln dabei, Triangeln baut man sich aus verbogenen Mistgabeln.
Les Blank erzählt uns, haarklein ethnozentrisch, welche Völker sich in Louisiana paaren mußten, damit eine einmalige Musik das Lagerfeuer zum Tanzplatz werden ließ. Beteiligte: französischstämmige KreolInnen aus Haiti, schwarze AmerikanerInnen, afrokaribische AmerikanerInnen, IndianerInnen, AngloamerikanerInnen, SchottInnen, IrInnen, SpanierInnen, Deutsche und FranzösInnen. Uff. Die ganze Erklärerei der Musik wirkt zu Beginn schulfunkmäßig, weniger belehrend wird der Ton, als diverse Cajun- und Zydeco-Freaks uns ihre Fingerfertigkeiten demonstrieren. Einer klettert auf sein Akkordeon und stellt sich auf sein Instrument, um zu zeigen, wie stabil eine echte Quetschkommode ist. Das Waschbrett wird perfekt von einem vielleicht zehnjährigen Jungen geschrubbt, der sagt, er habe das Spielen einfach vom Zuschauen gelernt. Sein Vorbild, der alte Waschbrettking, erläutert, wie billig der amerikanische Traum mitunter zu verwirklichen sein kann. Man braucht dazu nur 12 Flaschenöffner und ein Waschbrett. „Warum spielen Sie gerade mit 12 Flaschenöffnern in den Händen?“ – „Ich habe die Zahl immer mehr erhöht, um unverwechselbar zu sein. Bei 12 hat's mir einfach mal gereicht.“ Andreas Becker
„I went to the dance. The Cajun and Zydeco Music of Louisiana“. Von Les Blank (USA 1989, OmU), mit zig MusikerInnen, heute bis 19. 4. 21 Uhr, fsk kino 2, Segitzdamm 2, am Oranienplatz, Kreuzberg
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