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■ Nackte Kleider: Das russische Frauenquartett Kolibri

Drei von vier und mit viel Sehnsucht Foto: Petra Gall

Nostalgie, Irritation und was sonst noch bei früheren SowjetbürgerInnen von den Erfahrungen aus einem vergangenen Leben übriggeblieben ist – da sind sie alle wieder, außer der Trauer. Denn keine der Sängerinnen des kabarettistisch angehauchten Quartetts Kolibri aus Sankt Petersburg weint dem sowjetischen Sozialismus eine Träne nach. Als Leningraderinnen haben sie vor sieben Jahren angefangen zu singen. Zum Spaß und nur so. Heute, als Sankt Petersburgerinnen, sind sie Profis. Wer Neues ausprobiert, wird in Rußland Profi, nachdem das Ausland Interesse gezeigt hat. Das hat es. Eingeladen vom Lesbisch-Schwulen Kulturaustausch tingeln sie gerade durch die einschlägigen Berliner Clubs. Dabei ist Homosexualität die falsche Schublade für die vier Künstlerinnen. Universal und geschlechtsneutral besingen sie das Dilemma von Liebe, Begehren, Verzehren.

Musikalisch bringen die Kolibris ihre Message auf unterschiedlichste Art unter die Leute. Passend zur Kindfrau im schwarzen Kleid wird auf HipHop-Verschnitt das bittersüße Leben besungen. Wenn sie dagegen auf russische Folklore zurückkommen, die sie mehrstimmig, a capella und mit viel Sehnsucht singen, treten sie als stilisierte, folkloristisch angehauchte Schönheiten auf. Scheppernd und gar nicht mehr lieb ist Musik und Gesang, wenn sie als falsche Grazien auf die Bühne kommen in Kleidern, auf denen je ein lebensgroßer Frauenakt aufgemalt ist. Das feminine Quartett hatte irgendwann den Ruf weg, eine erotische Show zu machen. Um dieses Mißverständnis auf die Spitze zu treiben, entwarfen sie die textilen Akt-Modelle. Ganz nach dem Motto: Nicht ich bin nackt, sondern mein Kleid. Neben Musik, Text und Kostümen entwickeln die Künstlerinnen auch ihre eigene Choreographie: ein bewegtes Bild aus reduzierter Gestik und dem rhythmischen Wechsel von Standbein und Spielbein. Eine halbe Drehung, Füße über Kreuz, dann im Kreis, der Rock schwingt, die Stimme singt. Hand- und Fingerübungen tun ein übriges. Zwei Frauen, die sich ansehen, können schon eine Geschichte erzählen. Und was für eine erst, wenn sie dabei die Arme verschränken. Waltraud Schwab

Bis morgen, 21.30 Uhr, Unart, Oranienstraße 163, Kreuzberg.

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