Sanssouci: Vorschlag
■ Skurrile Objekte: Das Friseurmuseum in Alt-Marzahn
Foto: Maichel Dutta
Die fast 35 Jahre alte Sammlung des Friseurmuseums in Alt- Marzahn verdankt sich der Leidenschaft des Antiquitätensammlers Jörg Maiwald, der sie 1961 im Alleingang zusammentrug. Zu diesem Zeitpunkt setzte nämlich gerade die große Modernisierungsphase in der DDR ein, viele Salons und Geschäfte trennten sich von ihren teilweise altertümlichen Einrichtungen.
Bis zum Mittelalter durften allein Geistliche chirurgische Eingriffe durchführen – was ihnen gegen 1298 jedoch untersagt wurde, da angeblich „der Kirche vor dem Blute grauset“. So entstand im 14. Jahrhundert die Zunft der Bader und Barbiere. Die Bader legten Blutegel an, brachen Zehen, zogen Zähne, ließen zur Ader – und stießen schließlich gar bis zu Amputationen und Autopsien vor. Die Ausstellung zeigt kuriose Instrumente: Schröpfköpfe, Pflaster- und Streichlöffel, Klistierspritzen und Aderlaßschalen sowie ein 1646 von einem Augsburger Barbier veröffentlichtes Standardwerk der Anatomie. Ein Raum gestattet Einblicke in die Werkstatt eines Perückenmachers. Dieser „weltliche Zierat“ war bis ins 15. Jahrhundert von der Kirche verboten, erst der Leibfriseur von Louis XIV. machte die Perücke wieder hoffähig. Man sieht den Arbeitsplatz eines „Bartscherers“, bei dem jeder Kunde einen eigenen, numerierten Seifentopf hatte, dazu eine Unzahl von Tiegeln, Flacons und Kämmen aus verschiedenen Jahrhunderten. Das Museum als Zeitmaschine: handbetriebene Föns und spiritusbeheizte Haartrockenhauben erscheinen uns heute nur mehr als skurrile Objektkunst. Maichel Dutta
„Aderlaß und Dauerwelle“, Di.-So. 10-18 Uhr, Eintritt: 2 DM. Friseurmuseum im Dorfmuseum Marzahn, Alt-Marzahn 31
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