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SanssouciNachschlag

■ Von Hunden und Bomben: „April 19“ in der Galerie NEU

Wann immer die Medien ihren Blick auf die Veränderungen werfen, die sich in den letzten fünf Jahren in Berlin zugetragen haben, bleiben sie bei der Kunstszene in Mitte hängen. Als beispielhaft gilt etwa Friedrich Loock, der mit der Galerie „Wohnmaschine“ die schnelle Karriere vom dissidenten Wohnzimmergaleristen zum smarten Kunstdealer schaffte. Viel symptomatischer ist allerdings der 24jährige Thilo Wermke, der zusammen mit Alexander Schröder die Galerie NEU und das gleichnamige House-Label betreibt. Wenn er nicht gerade im Hackbarth's kellnert, versucht er, mit schräger Kunst „eine eigene Position in der Auguststraße aufzubauen“ und druckt T-Shirts mit der Aufschrift: „Ich verstehe mich als Teil einer Jugendbewegung.“

Ergebnisse seiner szeneorientierten Galeristentätigkeit sind seit dem ersten Juli wieder zu begutachten. Lisa Ward, DAAD- Stipendiatin aus Los Angeles und Rolf Pilarsky, Meisterschüler bei Hödicke, haben ein achtminütiges Video zum Thema „Der Hund als Crash Test Dummy“ oder „Hundeattrappen im Brennpunkt“ gedreht, das mit wackeliger Handkamera und den schrammeligen Aggro-Sounds der Garagenband „Tweezer“ aus Atlanta echte Untergründigkeit beweist. Gedreht wurde dieser Tiefpunkt zeitgenössischen Filmschaffens in der Wilmersdorfer Fußgängerzone und auf dem Potsdamer Platz, in der Nähe des „Fuehrerbunkers“ – angeblich am 19. April, dem Tag des Bombenanschlags von Oklahoma. Im hinteren Galerieraum ist ein Ensemble von zwölf miserabel getuschten Hundeporträts plaziert, die ihrerseits zwei BZ-Artikel einrahmen: „Mafia klaut Hunde weg!“ Und auf dem Boden mahnen Windlichter.

Den Bogen vom Vierfüßler nach Oklahoma schlagen 17 Video-Stills, die im vorderen Raum locker gehängt sind und jedem brennenden Papphund eine Zahlen-Buchstaben-Kombination zuordnen – darunter schwer gefährliche Dinge wie B-52 oder M-16. Da jedoch weder das Video noch die Zeichnungen ästhetisch überzeugen, muß zur Rettung der „Installation“ ein auf einem Stuhl plazierter Aktenordner herhalten, der fotokopierte Seiten des Time-Magazins und einige aus dem Internet gefischte Briefe des Oklahoma-Hauptverdächtigen Tim McVeigh in Klarsichthüllen versammelt. Was das mit den verschwundenen Hunden aus Steglitz zu tun hat, bleibt rätselhaft. Der Hinweis, daß es sich um eine Paraphrase auf das Action-Genre (Hund im Bild = Gefahr) handelt, vermag die Konzeptionslosigkeit der Ausstellung nicht zu verbergen. Schade auch, daß das Wasserbombenwerfen am Eröffnungsabend als Kunst daherkommen mußte. Gunnar Lützow

„April 19“ von Lisa Ward und Rolf Pilarsky, bis 16. 7., Do/Fr 15-19, Sa 12-15 Uhr, Galerie NEU, Auguststraße 50, Mitte.

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