Sanssouci: Vorschlag
■ Fliegende Messer und nackte Killerinnen – „Hongkong in Action“, eine Filmreihe im Eiszeit-Kino
Verliert die Nerven nie: Chow Yun-fat in „City on Fire“
Wir kennen das, Frau auf roten High Heels hetzt durch die blauschwarze Nacht. Allein, über regennasse Straßen, irgendwo Downtown. Wenn sie dann noch unter die Dusche steigt und der Verfolger endlich ihre hüllenlose Silhouette im Blick hat, läßt auch „Psycho“ schön grüßen. Aber in „Naked Killer“ (1992), dem ästhetisch in Szene gesetzten Hongkong-Thriller von Clarence Fok ist (fast) alles anders. Die Tür geht auf, und Princess (Carrie Ng) lispelt kokett: „Ich liebe es, mich zu reinigen, bevor ich meinen Job erledige“, zückt eine Waffe und zielt – immer auf die Kniescheiben. Wer zuletzt lacht ...
Drei mehr oder weniger lesbische Killerinnen, abgeschnittene Eier, Vergewaltiger, die angekettet in finsteren Verliesen schmoren und ein männlicher „Held“ (Simon Yam), der beim Anblick seiner Knarre kotzen muß: das sind die schauderhaften Zutaten des actionreichen Streifens, der Abel Ferraras „Frau mit der 45er Magnum“ wie die Bambi-Version wirken läßt. Der Film, dem man – wohl wegen seiner Lesbenlastigkeit – eine Verwandtschaft mit „Basic Instinct“ nachsagt, kommt allerdings im Gegensatz zum dort vorherrschenden US-amerikanischen Drang zur psychologischen Motivsuche ohne solches Beiwerk aus. Statt dessen fliegen munter die Messer durch die hitzige Schwüle, und zwischen aufwendigen Stunts sollen pornographische Häppchen und schwarz-humorige Witzchen für Würze sorgen.
Sister Cindy (Kelly Yao), die mit den Bestien im Keller, ist eine weise, handkantenschlaue Meisterin, die sich Naturtalent Kitty „la Nikita“ (Chingmy Yau) zur Adjutantin heranbildet. Bis zum dramatischen Finale hat sie exzessiv Gelegenheit, von klassischen Klangteppichen untermalt ihre Künste unter Beweis zu stellen.
Während „Naked Killer“ eine eher ungewöhnliche Variante des Genres liefert, sind „Bullet in the Head“ (1991) und „A Better Tomorrow“ (1986), beide von John Woo, geradezu Exponenten des atemlosen und gehetzten Hongkong-Kinos. Gewalttätige Tänze auf dem Vulkan, die sich unwillkürlich als Reverenz an das noch hochlebendige, aber ungewisse Schicksal der ehemaligen Kronkolonie verstehen lassen.
„A Better Tomorrow“ eröffnet die morgen beginnende, zehnteilige Filmreihe „Hongkong in Action“ des Eiszeit-Kinos. Star ist Chow Yun-fat, der auch in Ringo Lam's „City on Fire“ mit lässig-cooler Leinwandpräsenz und immer für einen Scherz zu haben die Handlung dominiert. Mal als Undercover-Cop ohne Fortune, mal als glückloser Gauner noblen Charakters. Eine bewußte Anspielung auf den coolsten Sonnenbrillensnob der Filmgeschichte, der sich Le Samourai nannte.
Schluß mit lustig ist endgültig in „Bullet in the Head“ (John Woo, 1991), wo das genreübliche Morden und Metzeln sozusagen an sich selbst Amok läuft. Das wirkt wie ein Lehrgang für ZynikerInnen. Die fatalen Folgen einer Freundschaft von vier jungen Männern erstreckt sich über einen Zeitraum von fast dreißig Jahren, von 1967 bis in die Gegenwart. Eine Blutsbrüderschaft, die die Revolutionswirren, den Vietnamkrieg und die Ereignisse um das Massaker am Tiananmen nicht überstehen kann. Übrig bleiben nur Leichen und menschliche Ruinen. Ein politisch brisanter Film im Gewand härtesten Splatters. Gudrun Holz
Lehrgang für ZynikerInnen: „Bullet in the Head“ Fotos: Eiszeit
Filmreihe „Hongkonk in Action“. 10.-27. August. Die Termine der ersten Woche: Do., 10. und Fr., 11.8.: „A Better Tomorrow“; Sa., 12. und Di., 15.8.: „The Killer“; So., 13. und Mo., 14.8.: „Bullet in the Head“; Mi., 16.8.: „Painted Faces“. Beginn jeweils 20.30 Uhr. Eiszeit-Kino, Zeughofstraße 20, Kreuzberg.
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