piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ „Hausblick“ am Tacheles: Höchst amüsant wie echter Voyeurismus

Was passiert eigentlich hinter der Brandmauer des Tacheles? Diese seit Jahren bohrende Frage harrt nun endlich ihrer Beantwortung durch Paola Telesca und Marcial Ugarte. Die beiden Filmkünstler haben dort ihre Projektoren aufgebaut, die „tägliche Momente normalen Lebens in einem mehrstöckigen Haus“ auf die weißgetünchte Wand werfen. Und was das italienisch-chilenische Duo so unter normalem Leben versteht, beschert den Zauschauern in seiner erschreckenden Schlichtheit tatsächlich eine Reihe von Déjà-vu-Erlebnissen. Die vier untereinander laufenden Filme wirken wie beleuchtete Fenster, durch die man auf kackende Nachbarn und streitende Untermieter schaut. Irgendwie gräßlich, aber Weggucken geht auch nicht.

Wie beim echten Voyeurismus bleiben die Perspektiven stets dieselben, die Szenen ungeschnitten. Zwar hat jeder Film seine eigene Handlung, doch die Vertonung schafft immer wieder Momente der Interaktion zwischen den Ebenen: So hat das Saxophonspiel des nackten Mannes aus dem dritten Stock direkte Auswirkungen auf die Libido seiner Übermieter.

Neu ist die Idee simultaner Präsentation zwar nicht, doch was in Radio und Fernsehen schon öfter in die Hose ging, scheint in der Filminstallation ein adäquates Medium gefunden zu haben. Die große Brandmauer erlaubt stets einen guten Überblick, und da die Filme keine Geschichten erzählen, entbinden sie die Zuschauer von allzu konzentriertem Hinsehen. Etwas bemüht wirkt allerdings der Versuch, die Super-8-Filme durch die Belichtung von nur 6 statt normalerweise 24 Bildern pro Sekunde auf Slapstick zu trimmen. Das entstehende Bilderstroboskop zerhackt nicht nur die Bewegungen, sondern auch das Postulat der Abbildung alltäglicher Situationen. „Wir wollen kurzfristige Bilder für ein willkürliches Publikum in den öffentlichen Raum projizieren“, sagt Paola Telesca, die bereits einen S-Bahn-Zug zur fahrenden Projektionsfläche umfunktionierte. Wer die BVG soweit bringt, sollte es nicht allzu schwer haben, auch den Feuerschluckern hinter dem Tacheles die Show zu stehlen. Oliver Gehrs

Hausblick, Simultan-Filminstallation, bis Sonntag, 22 bis 1 Uhr, Skulpturengarten des Tacheles, Oranienburger Straße, Mitte

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen