Sanssouci: Vorschlag
■ Wille zur Kunst: die Rainbirds in der Passionskirche
Schon komisch, was ein Liedchen, gerade mal drei Minuten lang, alles anrichten kann. Die Rainbirds konnten nie einlösen, was eine Single in der bundesrepublikanischen Popwelt an Erwartungen geweckt hatte. „Blueprint“ war ein genialer Popsong, wenn man voraussetzt, daß in diesem Genre Genialität in der Beschränkung liegt: eingängige Melodie über unaufdringlich sommerlicher Gitarrenbegleitung. Dazu kam ein leicht repetierbarer Text, den man tunlichst nicht ins Deutsche übertragen sollte. Doch „Blueprint“ wurde nicht zur Blaupause ihres Erfolgs, sondern zum Brandzeichen auf der Stirn von Katharina Franck.
Schließlich blieb nur die Sängerin nach zwei leidlich erfolgreichen LPs übrig. Franck hatte ihre männlichen Mitstreiter gefeuert und sich mit der in Berlin allseits verwendeten Studiomusikern Ulrike Haage zusammengetan. Von da an war der Name Rainbirds nur mehr Etikettenschwindel und wurde dazu benutzt, die elegischen Vorlieben von Franck unter der nicht zutreffenden Bezeichnung „Pop“ an die Massen zu bringen. Denn seit vier Jahren sind die „neuen“ Rainbirds alles – nur keine Popmusik. Zwar nahmen Franck und Haage ihre Platten in Los Angeles auf und engagierten Mietmusikanten aus dem Prince-Umfeld. Aber während musikalisch Songstrukturen von Kurt Weill bemüht wurden, sank das Niveau textlich ins Bodenlose („When the music is low they all wanna go/ All scream when the music is fast“).
Der Versuch der Rainbirds, ihren Willen zur Kunst mit den finanziellen Erwartungen ihrer Plattenfirma in Einklang zu bringen, scheiterte kläglich. Selbst ihre Liaison mit dem Dancefloor klang nur gut und leer, groovte aber nicht. Später scharte man alles um sich, was in Berlin Rang und Namen hat, so Teile der Einstürzenden Neubauten, tat sich in überanspruchsvollen Projekten wie Stein und Goto hervor, und produzierte als Rainbirds mit „In A Different Light“ doch wieder eine Platte, die so unglaublich durchdacht und kalkuliert war, daß man darin Trockeneis lagern könnte, ohne daß es qualmen würde.
Umso tragischer, daß Katharina Franck immer noch eine der potentesten Stimmen in diesem Land besitzt. Sie müßte sich nur mal entscheiden können, ob sie Pop will oder Kunst. Beides miteinander zu versöhnen versucht sie nun zwar ohne neue Platte, aber mit vielen neuen Songs. Die Rainbirds werden neuerdings von einem Schlagzeuger verstärkt. Aber sie müssen wieder von vorne anfangen, in den kleinen Lokalitäten. Thomas Winkler
Am 24. 9. um 20 Uhr in der Passionskirche, Marheinekeplatz.
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