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SanssouciVorschlag

■ Sterne und kristalline Welten: Bruno Taut im Gehag Forum

Schon lange, bevor das expressionistische Fieber den Architekten Bruno Taut in kristalline Welten und utopische Räume jagte, schwebte er in seiner Vorstellungskraft zwischen den Sternen am Himmel und dem Lichtmeer einer Stadt: Das zeigt ein kleines Aquarell von 1904 in der Ausstellung „Bruno Taut – Der Architekt als Maler und Visionär“ im Gehag Forum. Aus der Sammlung seines Sohnes Heinrich stammen die Pastell- und Aquarellbilder des Architekturstudenten Taut, die erst in den letzten beiden Jahren anläßlich einer Taut-Retrospektive in Japan und Magdeburg im Zusammenhang seiner architektonischen Konzepte gesehen wurden. In großen Schwüngen schichtete er grüne und blaue Pastelltöne übereinander und ließ dunklen Grund durch helle Flecken schimmern, um eine „Seenlandschaft der Uckermark“ festzuhalten. In Chorin skizzierte er um 1904 tief samtige Seen am Abend, spiegelnde Laternen im Wasser, dichtgrüne Säume der Wälder und verschneite Felder.

In diesem farbigen Kosmos lassen sich Beziehungen zwischen Tauts Studium der Natur und seinen architektonischen Konzepten entdecken, die dem Klischee der „weißen Moderne“ widersprechen. Mit den demokratisch strukturierten Siedlungsräumen der von ihm entworfenen Gartenstadt teilen die Landschaftsbilder eine Perspektive, in der die verschiedenen Ebenen gleichwertig hintereinander gestaffelt sind. Die farbige Akzentuierung der Fassaden, die in Tauts Gehag-Siedlungen in Prenzlauer Berg, Weißensee und Zehlendorf häufig erst in den letzten Jahren wieder rekonstruiert wurde, schafft einen Rhythmus aus ruhigen und bewegten Flächen. Mit diesem Spiel ließ er die Wohnungsbauten am farbigen Spektrum des Lichts teilhaben, mit dem er in den Visionen der „Gläsernen Kette“ zuvor wie mit einem immateriellen Baustoff gespielt hatte. Katrin Bettina Müller

„Bruno Taut – Der Architekt als Maler und Visionär“. Bis 27. 10., Mo.–Fr. 9–17.30 Uhr, Gehag Forum, Mecklenburgische Straße 57, Schmargendorf

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