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SanssouciNachschlag

■ Fleißiger Animateur: Lutz Görner spricht Ringelnatz

„Dichtung für alle“ heißt die Sendung auf 3sat, in der Lutz Görner regelmäßig verschiedenste DichterInnen (Goethe oder Droste-Hülshoff) rezitiert. „Dichtung für alle“ könnte auch ein Unterkapitel jenes Großauftrags „Kultur für alle“ heißen, der so rührige Altbeauftragte wie Hilmar Hoffmann, Präsident des Goethe-Instituts und im Vorstand der Stiftung Lesen, immer wieder zur tapferen Verteidigung der Lesekultur veranlaßt.

Auch der fünfzigjährige Lutz Görner, seit 20 Jahren Ein- Mann-Rezitator und seit 1992 mit seinem „Reziteater“ – ohne th! – von Köln aus auf Tour, verteidigt die Kultur des „guten Buches“: Als „Animation zum Lesen“ will er seine Bühnenauftritte verstanden wissen. Für sein neustes Programm, das letzten Samstag bezeichnenderweise in der Staatsbibliothek Premiere hatte, hat sich Görner allerdings einen Dichter ausgesucht, dessen Texte kaum an versunkene, vertiefende Lektüre denken lassen: Joachim Ringelnatz, jener kauzige Bürgerschreck, der 1920 im Berliner Kabarett Schall und Rauch schwankenden Fußes das Motto ausgab: „Lebe gut! / Lache gut! / Mache deine Sache gut!“. Das waren Zeiten. Wenn Görner seinen Ringelnatz auf der Bühne spricht, geht es weniger lustig zu. Schwer sitzt dem Rezitator sein Auftrag im Nacken. Neben Lehrreichem zur Biographie spricht der Schauspieler Görner, der sich rühmt, auch eine Tanzausbildung, eine Gesangsausbildung und eine „Atemtechnikausbildung“ absolviert zu haben, die Ringelnatzschen Gedichte wie ein allzu strebsamer Bühnenarbeiter. Dazu spielt das Duo „Artango“ an Flügel und Akkordeon sehr ernste Tangos.

Kaum ist nach der Vorstellung der letzte Beifall verklungen, das Publikum staut sich schon vor den Ausgangstüren, da sitzt der fleißige Rezitator, eben noch auf der Bühne, auch schon wieder neben der Garderobe und bietet Videos, CDs, MCs, Bücher und Poster zum Verkauf: Dichtung für alle. Joachim Grunwald

Bis 30.9, 20 Uhr, Staatsbibliothek, Otto-Braun-Saal, Potsdamer Straße 33, Tiergarten.

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