Sanssouci: Vorschlag
■ Benefiz für die „Freunde guter Musik“ im Institut Unzeit
Sven Åke Johansson, 1985 Foto: M. Osterwold
Sonntagnachmittag um fünf, wenn das Wochenende seinen vitalen Tiefpunkt erreicht, ist die Stunde des Experiments im Institut Unzeit. Hier, im verwinkelten Hinterzimmer einer Fabriketage, vier Treppen hoch und über den Dingen, findet mit schöner Regelmäßigkeit neue und experimentelle Musik Publikum und Gehör – an diesem Wochenende zum 50. Mal. Grund genug, um einen besonderen Nachmittag zu inszenieren: 50 KünstlerInnen aller Sparten werden mit Kurzauftritten, Musik-, Tanz- und Videoperformances einen Querschnitt durch die zeitgenössische Musikszene bieten, der seinesgleichen sucht. Begonnen hat alles vor 12 Jahren. Ein paar „Freunde der guten Musik“ gründeten den gleichnamigen Verein, um im institutionell vernachlässigten Niemandsland zwischen den Künsten neue Darstellungsmöglichkeiten zu erschließen. Zwei für Berlins Musikszene maßgebliche Foren entstanden: Das Festival „Urbane-Aboriginale“, das einmal im Jahr die neue Musik zwischen den Kulturen präsentiert, und eben die Reihe „Musik am Sonntagnachmittag“, die im Oktober 83 von dem japanischen Fluxus-Musiker Takehisha Kosugi mit einer elektroakustischen Installation eröffnet wurde.
Tatsächlich ein Ort der Innovation, wurde das Institut in der Folge zum „Versuchsfeld für musikalische Aktion“, zum Experimentallabor für KünstlerInnen, die – oft noch ohne Rang und Namen – zu Aufbruch aus der ernsten Musik drängten. Viele von ihnen sind inzwischen prominent: Sven Åke Johansson und David Moss, Christina Kubisch, die Tödliche Doris und Roberto Paci Dalo. Und immerhin mit einem Tape vertreten ist Takehisha Kosugi, der Mann der ersten Stunde. Doch nicht allein die Kunst, sondern auch die Solidarität treibt die KünstlerInnen zum Jubiläumskonzert: Weil es beim Veranstalter zum 50. Geburtstag finanziell kriselt, das Festival „Urbane-Aboriginale“ in Zukunft nicht gesichert und auch alles andere ungewiß ist, muß dieser Sonntagnachmittag ein Benefizkonzert in eigener Sache werden. Erwünscht sind als Spende 50 Mark. Das ist happig (selbst wenn man sich zum Trost den Schnäppchenpreis von einer Mark pro KünstlerIn errechnet), und letztlich nur ein trauriges Beispiel mehr, was passiert, wenn sich die Politik aus ihrer kulturellen Verantwortung zurückzieht. Christine Hohmeyer
„Music Expanded“, So, 29. 10., 14–20 Uhr im Institut Unzeit, Erkelenzdamm 11/13b, Kreuzberg.
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