Sanssouci: Vorschlag
■ Interacitve Groove: Courtney Pine im Quasimodo
Das Rohgerüst zu seiner neuen CD „Modern Day Jazz Stories“ hat er an seinem Macintosh Computer gebaut. „Und wenn man dann genau hinhört, wie die Band das Ganze später eingespielt hat, scheint es mir, als schreie die Software ,Blasphemie!‘“, schreibt Pine in den liner notes. Kurz gesagt: Herausgekommen dabei ist das neben Ornette Coleman, Steve Coleman und Gary Thomas bemerkenswerteste Experiment in Sachen Jazz und HipHop in diesem Jahr.
Bemerkenswert deshalb, weil Pine nicht einfach nur sich selbst covert wie Guru; weil Pine weiß, warum Herbie Hancocks „Dis Is Da Drum“ floppen mußte; weil Pine sich traute, gänzlich auf das zu verzichten, womit andere die Tür zu einem größeren Publikum öffnen wollen – auf die Vorzeige-Rapper. Gerade die haben sich bislang noch meist als Typen erwiesen, von denen Jazzer offenbar wenig wissen. Nach Pines Fazit würden sich fast alle Jazzmusiker in HipHop-Zusammenhängen zu Sidemen auf ihren eigenen Platten degradieren. Die Interaktion fehle. HipHopper kümmerten sich nach wie vor nicht um Jazz und umgekehrt, und ebendeshalb stoppt das Saxophon, wenn der Rap beginnt. US3 und Guru haben kaum bewirkt, daß sich deren Publikum mehr für die Musik von Miles Davis oder Thelonius Monk interessiert, meint Pine, der gerade erst mit Guru auf Tour war und auch bei dessen aktueller CD „The New Reality“ mitmischte.
Ende der Achtziger gab es den Courtney-Pine-Hype. Vielleicht erinnern Sie sich? Der heute 31jährige Londoner Saxophonist jamaikanischer Abstammung wurde damals als YoungLions-Bestseller der britischen Szene nach USA exportiert und brachte es dort dank seiner Marsalis-Connection auch zu Feature und Besprechung. Aber Pine weiß sehr gut, daß es für einen jungen Superstar-Jazzer in Europa keinen Platz gibt. Und wenn er heute von seiner Londoner Neighborhood spricht, dann dreht sich fast alles um Jungle. Und um eine ganz andere Offenheit für Sounds und Beats. Die europäische Jazz-Perspektive, wie Pine das nennt. Sein Jungle-Brother DJ Pogo war nicht nur maßgeblich am „Modern Day Jazz Stories“-Projekt beteiligt, ihn holte Pine auch für seinen Bob-Mailer-Tribut, der gerade auf dem japanischen Markt erschienen ist. Nach dreijähriger Plattenpause und mit neuem Majorvertrag tourt Pine jetzt mit einem Gefühl dafür, was dem Jazz bislang abging. „Wir interagieren nicht nur spontan unter uns, sondern auch mit euch, wenn ihr zu unserer Show kommt“, verspricht Pine. Und das wär doch wirklich mal nett. Christian Broecking
Heute, 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg
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