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SanssouciNachschlag

■ Horrorkids on stage: "Klassen Feind" in der Vaganten Bühne

Inzwischen ist die Generation X das Tagesthema. No Future ist out, obwohl die Gewaltbereitschaft unter dem Nachwuchs bis runter in den Kindergarten wächst. „Zunehmende Brutalität, die keine Hemmschwelle mehr kennt und zu teilweise schweren körperlichen Verletzungen führt“, konstatierte das Schulamt Frankfurt am Main – laut Spiegel – 1992 in einer Untersuchung. Also wohl doch noch der richtige Moment für ein Stück, das nach seiner deutschen Erstaufführung an der Schaubühne (1981) eine wahre Nachspielflut auslöste. In Berlin hat sich seit der hyperrealistischen Stein-Inszenierung, die auf Kreuzberger Verhältnisse zugeschnitten war, keine große Bühne mehr herangetraut.

Die aggressionsgesättigte Daseinsschlacht im Klassenzimmer, nachdem auch der letzte Lehrer vertrieben ist, funktioniert immer noch. Das beweist Folke Braband in seiner Inszenierung bei den Vaganten. Nigel Williams streckenweise recht sozialkitschige Milieustudie entrümpelte er gründlich. In der anderthalbstündigen Kurzversion sind die populärpsychologischen Begründungen für die Hau-drauf-Mentalität der desillusionierten Gettokids auf ein Minimum reduziert. Außerdem fehlt jegliche Kiezanspielung. Das hebt den Straßenrealismus ins Exemplarische.

Im ganz mit Metall ausgeschlagenen Klassenzimmer, das mit seinen Fensterschlitzen wie eine Gefängniszelle wirkt, verliert sich die Atmosphäre der ausweglosen Beklemmung keine Sekunde lang. Zwischen Langeweile, Hahnenkämpfen und Gewaltausbrüchen pendelt das Schülerquintett hin und her. Machtspiele, bis das Blut fließt, durch Haß überdeckte Schwäche, der Kampf um Führer- und Gefolgschaft präzise sichtbar. Diszipliniert und risikobereit formen sie die dankbaren Rollen zu durchweg glaubwürdigen Charakteren. Der Regisseur betätigt sich nicht als Sozialanalytiker. Die Verrohung stellt er als Tatsache dar, ohne einfache Erklärungsmuster zu bemühen. Dem setzt er das Prinzip Hoffnung entgegen. Wenn die verlassenen Horrorkids unschlüssig an der Klassenzimmertür darauf warten, ob sich vielleicht doch noch ein Lehrer ihrer annimmt, sind das überhöhte poetische Momente, mit Musik untermalt. Glück durch Bildung und Erziehung – eine sozialdemokratische Utopie. Gerd Hartmann

Nächste Vorstellungen: 19.-22.12., 20 Uhr, Vaganten Bühne, Kantstraße 12a, Charlottenburg

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