Sanssouci: Vorschlag
■ Test Dept. im Tacheles: früher brachial, heute selbstironisch
Aus Holz, Plastik und vor allem aus verrostetem und liegengebliebenem Metall bestand der Schrott, den vor fünfzehn Jahren das britische Musikerkollektiv Test Dept. zu Klangkörpern umfunktionierte. Vermischt mit konventionellen Instrumenten wie Trompete, Cello und Dudelsack entstand eine Musik, die von Anfang an die Reibung zwischen konventionell und elektronisch hergestellten Tönen suchte. Bald stellte man verschiedenste Ethno-Einflüsse neben kakophonische Stahlsinfonien, verschmolz die Rhythmen der Urvölker, arabischen Gesang, mythische Texte aus altnordischen Sagen mit dem kantigen Krach moderner Industrie.
Berühmt wurden Test Dept. vor allem durch ihre schweißtreibenden Performances in stillgelegten Fabriken, brachliegenden Docks und geschlossenen Bahnhöfen, an denen Bildhauer, Bühnenbildner und Filmemacher beteiligt waren. Test Dept. fühlten sich dem Kollektivgedanken, den zu dieser Zeit auch die slowenischen Brachialfetischisten Laibach verfolgten (die Namen der Bandmitglieder sind streng geheim), ebenso verpflichtet wie dem angestrengten politischen Engagement für Gewerkschaften und Anti-Apartheid-Kampagnen. Zuletzt taten sich die Grenzüberschreiter par excellence mit einem ganzen Orchester zur Einspielung ihres wuchtigen Albums „Pax Britannica“ zusammen.
Nach einer, von einigen Maxis abgesehen, fünfjährigen Pause meldet sich die Band nun mit einem erstaunlichen Album zurück, das wie eine alles andere als wehmütige Absage an das theatralische Pathos der Vergangenheit klingt. Sounds und Techniken aus aktuellen Strömungen wie Jungle und Trance werden experimentell durchsetzt mit aus früheren Tagen bekannter Mundharmonika, Klarinette und Trompete. Industrial Rapping gesellt sich zu arabisch anmutendem Frauengesang, und auch stählerne Zitate schimmern durch. Test Dept. haben sich verändert, sind unverkrampfter und sogar ein wenig selbstironisch geworden. Auch ihre Show ist eine andere: Im passend kahlen Tacheles erinnern sie heute abend durch energisch-imposante Percussions an die frühen Zeiten, bombardieren ihr Publikum aber nicht länger mit politischen Botschaften. Spaß statt Kopflastigkeit. Auf der Bühne laufen bunte Videos, sogar eine Sängerin hat man engagiert. Susanne Messmer
Heute und morgen, 21 Uhr, Café Zapata im Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte. Nach dem Konzert Party mit zwei DJs von Test Dept.
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