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SanssouciVorschlag

■ Die Company Ismael Ivo mit "Othello" in der Volksbühne

Ismael Ivo tanzt Othello. Ein schwarzer Brasilianer, der seit über zehn Jahren in Berlin lebt und in der ganzen Welt zu Hause ist. Johann Kresnik hat Regie geführt und mit Ivo und dessen Tanzcompany gemeinsam choreographiert. Herausgekommen ist ein Mysterienspiel, das Elemente des japanischen No-Theaters, des afrikanischen und antiken Theaters sowie des modernen Tanzes mischt. Vier Tage zeigt die Company Ismael Ivo in einem Gastspiel in der Volksbühne „Othello“, und so fremd und eindringlich, so gehalten und explosiv zugleich kann man Theater selten erleben. Kresniks Bildermacht trifft auf Ivos Bewegungsphantasie und -kraft. Die Gewalt-Instrumentarien des „Berserkers“ Kresnik, sie werden in dieser blutigen Eifersuchtstragödie kaum gebraucht.

Othello – Jago – Desdemona. Ihr Kampfplatz: ein Kubus aus Metall, dessen Boden, mit rotem Sand bestreut, die Arena abgibt für Erotik, Sex, Eifersucht, Demütigung und Mord. Jago dirigiert schon das Spiel, als Othello in Erscheinung tritt, und Desdemona räkelt sich lasziv im Gerüst. Später wird sie sich zum Kriegshelden herunterhangeln, und das Paar Daniel Chait/Ismael Ivo wird wundersame, hocherotische Tänze zeigen. Desdemona raucht nicht nur Zigarre und ist nicht nur so verführerisch, wie es dem holden Shakespeare-Geschöpf doch eigentlich gar nicht ansteht, sondern sie ist auch – ganz elisabethanisch – ein Mann. Das Beunruhigende der rein männlichen Besetzung: Jenseits aller Travestie wird ein geschlossener, sich selbst genügender Männerkosmos vorgeführt – maskuline Weiblichkeit, die ohne Frauen auskommt. „Machterhalt beruht auf Ausschluß“, heißt es im Programmheft. Und das letzte Opfer ist der Mohr.

Als Othello mit Desdemona im Stück „das Tier mit zwei Rücken“ macht, wird über die Boxen lautes Ein- und Ausatmen übertragen. Da hängt Ivo als kleines Äffchen in einem Gerüst – und die anderen schauen zu. Das Bild, das sie von dem Mohren haben, scheint der einzige Ort zu sein, an dem er sich zu Hause fühlen kann. Ivos Verwandlungskraft ist unglaublich, und zugleich kann keine Verwandlung des Othello die Fremdheit zu seinen weißen Gegenübern überbrücken. Das ist eines der merkwürdigsten Spannungsfelder, in dem sich diese Inszenierung bewegt. Michaela Schlagenwerth

Noch heute und morgen, 19.30 Uhr, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

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