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SanssouciVorschlag

■ Rummelplatz der Herzen: Fastilio im Kulturhaus Peter Edel

„Musica Storta“ – verdrehte Musik – ist der neueste akustische Import aus Italien. Sechs Frauen aus Bologna schleppen ihn an: chaotische Klangkonturen, skurrile Liedfragmente, ans Herz gehende Tonfrakturen. Sie nennen sich Fastilio, und als Kosmopolitinnen der Wegwerfgesellschaft sind sie immer auf der Suche nach tönendem Abfall. Die Jazzreste, Saxophonspiralen und ausgehauchten Vokale behandeln die Musikerinnen wie Kleinodien, stauben sie ab und setzen sie ungeniert, wenn auch nicht ganz den Lehrbüchern entsprechend, wieder zusammen.

So kann es kommen, daß am einen Ende das Klavier noch seinen Etüden nachspürt, während das Akkordeon gerade mit jauchzender Folklore beschäftigt ist und die Sängerin unverbraucht vom Rocksong zur Arie wechselt. Das Ganze klingt leicht und leidenschaftlich. Ein Rummelplatz der Herzen, der nicht festzuhalten ist, denn die Fastilios sind Verführerinnen, die kein Versprechen halten müssen. In den Augenblicken größter Harmonie brechen sie die Musikstücke ab. „Gleichklang, ich bitte Sie! Heutzutage ist das doch nur noch Illusion“, sagt Margareth Kammerer, die mittlerweile in Berlin lebende Sängerin. Sie ist es auch, die dem Sextett ihren Namen gegeben hat. Als Südtirolerin ist Italienisch für sie erste Fremdsprache und „fastilio“ ist nichts als ein falsch verstandenes Wort.

Hervorgegangen ist die Band 1992 aus dem Laboratorium di Musica e Imagine, einem selbstverwalteten Kollektiv, das vor allem Livemusik zu Stummfilmen spielt. Genauso divers wie die Musik, die sie fabrizieren, sind auch ihre jeweiligen musikalischen Schwerpunkte. Die Blechbläserin Daniela Cattivelli hat eine klassische Ausbildung, Olivia Bignardi an der Klarinette verdankt ihre musikalische Formung teilweise den Sinti und Roma, Filomena Forleo – Tasteninstrumentalistin und Gitarristin – ist chorerfahren. Fastilio ist ein Laboratorium geblieben, wenngleich die Musik mittlerweile ohne visuelle Imagination auskommt. Zwar hört man gelegentlich das Rauschen der Filmspule, die Bilder aber sind der Fantasie des Publikums überlassen. Waltraud Schwab

Heute, 21 Uhr im Kulturhaus Peter Edel, Weißensee, Berliner Allee 125, am 19.1., 22 Uhr im Anorak, Dunckerstraße 14, Prenzlauer Berg.

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