Sanssouci: Vorschlag
■ Sechs Arten zu lachen: Pekingoper im Saalbau Neukölln
Alexander Liu zieht den Mund bösartig breit und stößt ein gepreßtes, hämisches Lachen aus. Die Augen werden zu ganz schmalen Schlitzen, die Schultern zucken vor Schadenfreude, der rechte Fuß wippt locker mit. So und nur so lacht ein Bösewicht. In der Pekingoper, in der jede Bewegung kodifiziert ist, gibt es sechs Arten zu lachen – fünf männliche und eine weibliche. Liu kichert hinter der verschämt vorgehaltenen Hand. Eine gesittete Frau, lehrt Konfuzius, darf ihre Zähne nicht zeigen.
Seit drei Jahren blüht in Berlin ein „Chinesischer Birnengarten“. Die Laiengruppe, die schon drei Pekingopern auf die Bühne brachte, hat sich nach der ersten chinesischen Theaterschule genannt, die Kaiser Hsuan Tsung vor 1.400 Jahren gründete. Auch die Handlung ihrer neuen Produktion, „Das Rasthaus an der Weggabelung“, ist schon etwa tausend Jahre alt: Zur Zeit der Sung-Dynastie erschlägt der General Jiao San den tyrannischen Sohn des Kanzlers. Auf dem Weg in die Verbannung verfolgen ihn zwei gedungene Mörder, aber auch ein Beschützer. Alle Parteien treffen im Rasthaus zusammen, doch wie alle Pekingopern nimmt auch diese ein gutes Ende.
Mit der chinesischen Aussprache kommen die fünf deutschen Darsteller inzwischen halbwegs zurecht. „Aber das Singen mit Kopfstimme muß man lange üben, und die vorgeschriebenen Bewegungen sind sehr schwer“, sagt Maria Böck, eine 20jährige Studentin, die die Pekingoper auf dem Umweg über die chinesische Kampfsportschule entdeckt hat, die Alexander Liu außerdem betreibt. Als Zwölfjähriger begann er in Peking seine Ausbildung in den fünf Künsten der Pekingoper: Gesang, Tanz, Schminken, Schwertkampf und Akrobatik. Danach arbeitete er als Schauspieler und Lehrer, bis er 1990 nach Deutschland ausreisen durfte. Hier hat er sich den Vornamen Alexander zugelegt – seinen wahren Namen Zhoyou sprechen die Deutschen nämlich so aus, daß er wie das chinesische Wort für Schweinefett klingt.
„Mein Traum ist es, den Deutschen die chinesische Kultur na- he-ssu-brin-gen“, sagt Liu und kichert dabei über das umständliche Wort. Dem Publikum zuliebe ist die Aufführung teilweise in deutscher Sprache. Zu Beginn wird Liu kurz in die Geschichte der Pekingoper einführen und die typischen Rollen mit ihren Kostümen und Gesichtsbemalungen erklären. Und er wird wieder so wunderbar hämisch lachen. Miriam Hoffmeyer
Heute und Sa., 20 Uhr, Saalbau Neukölln, Karl-Marx-Straße 141
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