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SanssouciNachschlag

■ Kalt: "Mercedes" von Thomas Brasch auf der BE-Probebühne

Sie haben nichts zu lachen Foto: Cristina Damasceno

Es ist eine kalte Inszenierung. Kopfgesteuert. Daß das wenig Spaß macht, ist kalkuliert. Und legitim. Man könnte es als treffende Übersetzung des Stücks von Thomas Brasch ansehen, das dieser mit „16 Szenen“ betitelt, als handle es sich um eine Versuchsreihe mit Versuchspersonen und Todesfolge. Es geht um die Maschine Mensch, die der Mühle Gesellschaft ausgesetzt ist. Da die Geschichte außerdem unter dem blitzenden Stern eines Automodells steht, welches wunderbar als Allerweltsmetapher für Kapitalismus, Männlichkeitsgebaren und die große Freiheit stehen kann, ist wohl alles gebongt. Die drei auf dem Autostrich – eine Prostituierte, ein Arbeitsloser und ein Geist – stehen am Rande der Gesellschaft, dort, wo Milieudialekt geschnoddert wird und nur Träume und Drogen das Leben versüßen. Daß im Stück außerdem erklärt wird, „Mercedes“ bedeute im Spanischen „Maria von der Gnade der Gefangenenerlösung“, krönt knüppelhart die Bedeutungsschwangerschaft.

Formal geht Veit Schubert (eigentlich Schauspieler am BE) mit seiner Inszenierung auf Distanz zum Stoff und „führt vor“. Doch die jungen Schauspieler, Studenten an der „Konrad- Wolf“-Film- und Fernsehhochschule, haben (noch) nicht die Kraft, das kalte Spiel mit Spannung zu füllen. Zu lachen gibt's sowieso nichts.

Bei voller Saalbeleuchtung laufen die SchauspielerInnen ein. Zwei, drei Schminkstriche, und Svea Petersen zeigt die Hure Oi mit dem blauen Auge an. Fünf, sechs Kreidestriche an der Tafel, und schon stellt die Szene Mittelstreifen und Straße dar. Die Figuren reden zwar miteinander, aber sie schauen sich höchst selten an. Dieses auf die Dauer leere Konstrukt verträgt sich denkbar schlecht mit der penetrant aufgesetzten Schnoddersprache. Zudem wird die Distanz an Paradestellen nicht durchgehalten. Ois „echt eingefühlte“ Zärtlichkeit beispielsweise; natürlich kommt sie bei den Männern nicht an. Entweder streichelt sie den, mit dem sie gerade nicht spricht, oder der Betreffende reagiert nicht. Beispielsweise der männliche (Potenz-)Mercedeswahn: Wenn die beiden ausflippen und das Auto mit Luxusausstattung Stück um Stück zum Bild wird, hat Oi schon gar nichts mehr zu melden. Keine Chance für Mann und Frau. O selige Botschafterei! Warum aber inszeniert Schubert „Mercedes“, wo diese Botschaft in anderen Stücken weniger staubig rübergebracht wird? Und warum nimmt Schubert das Stück so lange distanziert-trocken, wenn er's doch nicht ganz durchzieht? Petra Brändle

„Mercedes“ von Thomas Brasch. Nächste Aufführung: Sa., 24.2., 20 Uhr, BE-Probebühne, Bertolt-Brecht-Platz 101, Mitte

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