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■ Groove statt Ghetto: Französischer Pop beim Festival „Les Semaines de la Chanson“ im Pfefferberg

Erfolgreich emanzipiert hat sich der französische Pop in den letzten Jahren von seinen früher so eingeschränkten Vorgaben, weil dort zumindest auf kulturellem Gebiet die Chancen ergriffen wurden, die Immigration und multikulturelle Gesellschaft bieten. Ohne die afrikanischen Einwanderer wäre das Maß aller Dinge wahrscheinlich noch heute das Chanson. Daß dem längst nicht mehr so ist, beweist das Festival „Les Semaines de la Chanson“, das bis Samstag im Pfefferberg stattfindet.

MC Solaar, Übervater des HipHop jenseits des Rheins, ließ verlauten: „Rap ist kein Ghetto, sondern ein Geisteszustand.“ Diese Differenz zu den amerikanischen Vorbildern betont auch der neue Star Ménélik. Der angehende Rechtsanwalt verkündet in Interviews, daß HipHop zwar seine Leidenschaft, aber nicht sein Leben ist. Notfalls könne man immer noch das Studium zu Ende machen. Authentizität ist keine Kategorie von Bedeutung, weshalb französischer HipHop meist überaus entspannt klingt. Ob bei Melaaz, der ehemaligen Backgroundsängerin von Solaar, oder bei dem in Kamerun geborenen Ménélik, die den ersten Abend bestreiten: Die Beats fließen dahin, Jazz-Loops, die in den USA längst angestaubt zu den Akten gelegt worden sind, werden mit freundlicher Selbstverständlichkeit recycelt. Die Hauptsache ist der Groove.

Ménélik Foto: promo

Während man im HipHop meist vergeblich nach afrikanischen Einflüssen sucht, hat sich nahezu unabhängig davon eine Popmusik entwickelt, in der die Immigranten ganz bewußt Stilmittel ihrer Heimatländer einsetzen. Rachid Taha stammt aus Algerien und wurde vor mehr als zehn Jahren berühmt mit seiner Band Carte de Séjour (dt.: Aufenthaltsgenehmigung), die als erste mit arabischen Texten zumindest Aufmerksamkeit erregten. Die letzte Platte des inzwischen blond gefärbten Taha kommt zwar daher wie ein gewaltiger Gemischtwarenladen auf der Grundlage seichten Pops, aber entpuppt sich wie selbstverständlich als eine Reise zu den Orten, wo Menschen entwurzelte Leben leben: Von Algerien aus geht es durch Andalusien ins indische London und endet noch nicht beim Tex-Mex der mexikanischen US-Immigranten.

Den zweiten Abend komplettiert Wasis Diop, der ganz sanft vermittelt zwischen beiden Welten und zum Beispiel ein konventionelles Rockschlagzeug ebenso einsetzt wie programmierte Beats und afrikanische Trommeln. Vor allem die gutturale Stimme des aus dem Senegal stammenden Diop sorgt für den Crossover, was ihn nicht daran hindert, auch mal ganz altmodisch nach Talking Blues zu klingen.

Am dritten und letzten Tag kommt – neben Zebda, die Rai und HipHop zusammenführen – dann doch noch der Rock zu Ehren. F.F.F., was mal für „French Funk Federation“ stehen kann oder auch für „Fatally Funky Frenchmen“, waren mit ihrem zeitgemäßen, harten Funk, der mal an Living Colour, dann wieder an Mordred oder auch an die Red Hot Chili Peppers erinnerte, in Frankreich schon eine Sensation, noch bevor sie einen Plattenvertrag hatten. Ihr Debüt produzierte denn auch gleich der berühmt-berüchtigte Bill Laswell, der schon immer gerne zusammenbrachte, was vorher unvereinbar schien. So sind F.F.F. auch HipHop oder Ethnopop nicht abgeneigt und wechseln gerne die Sprachen: Englisch ist ja noch normal, aber Französisch und vor allem Kreolisch klingen in dem Zusammenhang doch etwas komisch. Thomas Winkler

Heute: Melaaz, Ménélik et la Tribu; Fr., 23.2.: Wasis Diop, Rachid Taha; Sa., 24.2.: Zebda, F.F.F. Beginn jeweils 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

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