Sanssouci: Nachschlag
■ Goldener Zahn: Willy "Loup Garou" De Ville in der Arena
Würde Willy De Ville schlicht William Borsay heißen, wie bei seiner Geburt vor 42 Jahren in New York, und so langweilig aussehen wie, sagen wir, Bruce Springsteen, hätte er immer noch seine Stimme. Ob das aber reichen würde, um eine recht geräumige Örtlichkeit wie die „Arena“ in Treptow komplett mit Menschen anzufüllen, darf bezweifelt werden. Willy De Ville lebt seit jeher zu einem hohen Prozentsatz von der optischen Inszenierung seiner selbst. Seit fast zwanzig Jahren kultiviert er ein Outfit wie aus dem „Tanz der Vampire“, notdürftig getarnt durch das windige Schnurrbärtchen, ein meckerndes Lachen, den blitzenden Goldzahn und ein aufdringliches Ohrgehänge, das ihn wie eine Mischung aus kreolischem Señorito und abgefeimten Falschspieler erscheinen läßt. Den Leuten gefällt dieses Theater über alle Maßen. Seine erste Ovation bekommt der Musiker, lange bevor er die Bühne betritt: als sein rosenumkränzter Mikrofonständer bereitgestellt wird. Musikalisch konnte sich Willy De Ville lange nicht entscheiden, ob er lieber mexikanischer Mariachi, Bluesbrother aus dem Delta oder plump-vergnügter Rocker sein wollte. Er tat das einzig Richtige und zog nach New Orleans – dort darf man alles. Der rastlose Eklektiker hat seine Heimat gefunden, wo er nun in finsteren Kneipen am falschen Ende der Bourbon Street verkehrt und nächtens werwolfmäßig den Vollmond anheult: ein echter Loup Garou eben, wie ja auch der Titel seiner neuesten Platte und Tournee verheißt.
In die Bühnenshow hat das alles jedoch kaum Eingang gefunden. Kein Voodoo-Klimbim à la Dr. John, der Werwolf bleibt im Käfig, die vorsorglich mitgebrachten Silberkugeln sind überflüssig. An die neue Identität erinnern lediglich ein paar beschwingte Cajun-Klänge und die Art, wie Willy De Ville gern und fachmännisch südstaatlerisch Worte wie „Lusjänä“, „Njuorlinns“ oder „Baaayou“ sagt. Ansonsten vertraut er auf das klassische, stark vom Spazierengehen geprägte Programm: Cadillac Walk, Spanish Stroll, Savoir Faire und ein paar weitere fetzige Rocknummern lassen die Eisfüße im Saal zucken, dazwischen inbrünstelt De Ville Schmachtfetzen wie „Demasiado Corazón“ oder „Heart and Soul“ ins Rosenmikro – Songs, die einen zu Tränen rührten, täte er zwischendrin nicht immer so dreckig grinsen. „Loup Garou“ spielt er nicht, dafür das neue „White Trash Girl“ mit Hilfe der sehr freundlichen und soliden Band in besonders furioser Weise. „Her daddy's in the Ku Klux Klan, her brother broke my nose. Mama carries a Bowie knife. Little sister don't wear no clothes. My family says she's no good.“ Solange er solche Verse dichtet, kann er ruhig wiederkommen. Matti Lieske
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