Sanssouci: Nachschlag
■ Galeries Lafayette eröffnen mit bespritzten Juliette Binoches – Konsumkritiker noch im Bett
Lafayette macht auf! Wie schön für Berlin und reizend: „An einem der Brennpunkte der Werkstatt der Einheit erweist sich in diesen Tagen weithin sichtbar, daß es ein Leben nach Preßlufthammer und Betonmischer gibt“, freut sich Eberhard Diepgen (CDU) in bedenkenswert hübschen und metaphorisch auch interessanten doppelten Genitivkonstruktionen im Tagesspiegel.
Irgendwie hatte man eigentlich gedacht, daß der „gläserne Flacon“ (Tsp.) seine gläsernen Pforten nie öffnen würde und das schickere Pendant des Palastes der Republik dann langsam verfiele neben unvermieteten Büroflächen; daß es unvollendet späteren Generationen zum Mahnmal gegen die Überhebung der Menschen und die Gemeinheiten des Kapitalismus geriete, von der dann siegreiche Autonome in sackleinenen schwarzen Lederjacken predigen dürften. Doch die lieben autonomen GenossInnen hatten wohl die Eröffnung des Kaufhauses um 9.30 Uhr verschlafen. Vergeblich warteten interessant aussehende Polizisten in schicken Uniformen auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs Französische Straße auf ihre konsumkritischen GegnerInnen.
Statt dessen standen vor dem Kaufhaus MitbürgerInnen der weltstädtischen Hauptstadtmedien (IA und Spreeradio) und fragten Berlinerinnen, was sie denn von der ganzen Sache so halten. Die sagten: „Ist hübsch hier, nicht.“ Manche trugen auch rote Rosen. Die kriegten sie geschenkt von Herrn Lafayette, der nervös, doch auch sehr stolz durch die Gegend rannte. In der Parfümabteilung bekam man Duftproben des Parfüms „Poème“ geschenkt. In der Mitte des Kaufhauses gibt es eine gläserne Konstruktion, in der sich Waren und Mitbürger sehr interessant und psychedelisch spiegeln. Das lädt zum Meditieren ein.
Die Warenhausbesucher fotografieren einander begeistert wie die Japaner. Rechtsdrehend meist kontrollieren sie die Warenhausangebote. „Sehr schön und auch günstig.“ Softrock lallt im Hintergrund. Golden glänzen die Einkaufswagen und -körbchen. Rauchen kann man nirgends; Zeitschriften gibt es auch nicht. Dafür Teddys: „Guck mal, da sind lauter Teddys. Da gehn wir mal hin.“ Da telefonieren schlanke Männer mit eleganten Handys. Ein Füller kostet 795 Mark. Hat man das nötig? Warum nicht 820. Oder 1.000. Klingt viel besser. Es gibt auch Feuerzeuge für 1.150 Mark. Manche Menschen sprechen Französisch; das ist angenehm und auch weltläufig.
„Hübsch hier, nicht?“. Melancholische Szenen schon kurz nach der Eröffnung. Foto: Nelly Rau-Häring
Schaufensterpuppen schauen dich aus lebensecht leicht melancholisch gestalteten Augen an; wegen der Erotik hat man die Busennippel der Schaufensterpuppenfrauen mit kaltem Wasser bespritzt, damit sie sich aufgeregt erheben. Sonst haben sie dünne Ärmchen und sind in Gesicht und Haltung übrigens Juliette-Binoche-orientiert. Hübsch sind auch die vielfarbigen Bodys fürs schöne Geschlecht. Geschmackvoll gekleidete Warenhausdetektive ärgerten sich zwar wegen dem Gedränge, das nur dem Dieb gefällt, und ein Deutschlehrer erregte sich darüber, daß auf einem Schild in der Obstabteilung stand „Herkunftsland Frankreich“ (Jonagoldäpfel, Kilo: 6,29 DM) und daß es schon um halb elf keine Croissants mehr gab. Doch sonst ist Lafayette eigentlich eine runde Sache. Detlef Kuhlbrodt
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