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■ Ist Hedonismus böse? Les Robespierres rütteln in der Hafenbar auf

Werden sie in die Bohemefalle tappen? Foto: promo

Seltsame Dinge gibt es auf dieser Welt. So zum Beispiel eine deutsche Band, die einen klapprigen Sixties-Beat spielt und auf portugiesisch ihre Texte singt. Netterweise heißen sie auch noch Les Robespierres und kommen aus Hamburg. Da hat zwar Klaus Ramcke, ihr Vorturner, seinen Wohnsitz, das Land seiner Kindheit ist jedoch Brasilien. Für bestimmte Anliegen fand er Deutsch zu doof und unpassend, Englisch ewig gleichklingend und uneindeutig, und folglich verfiel er für die Songs auf eine Sprache, die auch ihm nicht hundertprozentig geläufig ist. Einmal, in „Eu Te Ofereco“, heißt es: „Ich singe sogar in einem Portugiesisch, das nicht existiert.“ Eine Sprache, die ihm aber gerade durch ihre popkulturelle Randständigkeit geeignet erschien, politische Topics besser und dringlicher transportieren zu können.

„Liberdade, Liberalidade“ ist das Album der Robespierres betitelt, Freiheit, Freizügigkeit, Liberalität: Große Worte, die verkommen sind zu Worthülsen, in welche Ramcke mit seiner Musik und seinen Texten wieder Sinn und Inhalt füllen möchte, Worte, die er „sich nicht wegnehmen lassen möchte“, über die er sein Händchen halten will. Ihre erste Single hieß „E.Z.I.N.“, ein Lied, das unmittelbar nach dem Aufstand der Zapatisten in Chiapas aufgenommen wurde und ihrer sogenannten Befreiungsarmee gewidmet war. In diesem Song outen die Robespierres die mexikanische Regierung als Anhänger der „Neoklassizisten“ – einer ökonomischen Sekte, die glaubt, die negativen Folgen des Kapitalismus hätten ihre Ursache in zuwenig Kapitalismus – und prangern Tatenlosigkeit und Nichthinsehenwollen unsererseits (jawohl!) als nicht weniger verbrecherisch und schweinös an als das Gedankengut dieser Sekte selbst. Das rüttelt wach, macht sensibel und läßt unseren alltäglichen Hedonismus als das personifizierte Böse verfluchen – vielleicht. Ob da die Hafenbar, der Tempel des Spaß- und Leichthörens, der geeignete Ort ist?

Gefeit dagegen, in die Bohemefalle zu tappen, sind die Robespierres, bei aller Borniertheit solcher Einwände, nicht. In Zukunft werden es vorerst Universalität und Internationalismus richten, und auch für die deutschen Spaßfraktionisten gilt natürlich ein Satz aus dem Song: „Meu pequeno exercito“ (Mein kleines Heer): „Tanzt, tanzt, tanzt, ihr werdet sehen, es ist besser als marschieren.“ Gerrit Bartels

Mit Dackelblut, heute, 23 Uhr, Hafenbar, Chausseestraße 20, Mitte

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