Sanssouci: Nachschlag
■ Kunstfertigkeiten zur Eröffnung des Theatertreffens
Der „Europäische Sommernachtstraum“ aus Düsseldorf, rechts Zoltán Mucsi als Puck Foto: David Baltzer/Sequenz
Es begann gewissermaßen verschwörerisch. „An diesem Platz über die Kraft des Theaters zu reden, kommt mir vor wie in einer Samenbank über die Potenz des Mannes zu reden“, sagte der 67jährige Präsident des Deutschen Bühnenvereins, August Everding, vor der Eröffnungspremiere am Freitag im Schiller Theater. Und stimmte dann ein Halleluja auf das Schauspiel an, das – anders als Musicals! – Fragen stelle. Die Theatertreffeneröffnungsgäste: ein kühner Haufen von Bildungsbürgern, die der Kommerzkultur an symbolischer Stelle die Stirn boten.
Karin Beiers Düsseldorfer „Sommernachtstraum“-Inszenierung war es schon weit weniger um die Demonstration der Ernsthaftigkeit der Kunst zu tun. 14 Schauspieler aus neun Ländern hat die 31jährige Regisseurin zu einem „Europäischen Shakespeare“ zusammengebracht. Eine leichte, tänzerische Arbeit, die die Handwerkerszenen mit Pantomime und Commedia dell'arte- Elementen ins Zentrum rückt, die Elfengesellschaft hübsch poetisch als Varietétruppe zeigt und mit einem ungarischen Puck aufwartet, den Zoltán Mucsi überaus sehenswert als angepunkte Drag Queen spielt. Eine virtuose Inszenierung, deren Vielsprachigkeit reizvoll und doch ein Handicap ist: denn mit der Verständlichkeit der Sprache verliert dieser als Nummernprogramm entworfene „Sommernachtstraum“ auch seine letzten Schatten, und aus dem zauberhaften Alptraum voller Machtgelüste und trügerischer Triebe wird ein tändelndes Gesellschaftsspiel.
Christoph Marthalers „Stunde Null oder die Kunst des Servierens“ vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg dann am Samstag in der Volksbühne. Dieses „Gedenktraining für Führungskräfte“ ist wieder ein Marthaler-Stück wie es in keinem Buche stehen kann. Sülzhaltige Nachkriegsreden und -texte von Ernst Wiechert oder Wolfgang Borchert werden zu Ertüchtigungsübungen in Sachen Aufbau der Bundesrepublik gesprochen: Immerzu summt oder singt es aus dem Männertrüppchen im Trainingslager, und als resolute Endfünfzigerin gibt Frau Stunde Null (Eva Brumby) das Pfeifkommando zum Pulverkaffee trinken („Das pulvert mich so richtig auf!“), rote Teppiche ausrollen und Händeschütteln im Akkord. Wenn sie den Rücken dreht, popeln die späten Jungs in der Nase und erzählen pubertäre Witze. Überaus kunstvoller und angenehm böser Klamauk, der auf die Länge von zweieinhalb Stunden aber nicht überbrücken kann, daß man das mit der nachkriegsdeutschen Misere schon ahnte. Zweimal rhythmische Theatergymnastik, hübsch anzusehen – aber Fragen bleiben keine. Petra Kohse
„Stunde Null“ noch heute um 18 Uhr in der Volksbühne
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