Sanierung der Berliner Staatsoper: Koalition knebelt sich selbst
Das Abgeordnetenhaus debattiert über den Umbau der maroden Staatsoper. Dabei ist Rot-Rot der Meinung, dass die Politik sich aus der Debatte um die Ästhetik des Zuschauerraums heraushalten sollte. Wowereit deutet Kompromiss an.
Die Koalitionsabgeordneten von SPD und Linkspartei finden, dass das Parlament sich in den Streit um den Umbau der Staatsoper nicht einmischen sollte. "Bei politischen Entscheidungen über ästhetische Fragen kommt in den meisten Fällen Kitsch heraus", sagte Wolfgang Brauer, kulturpolitscher Sprecher der Linksfraktion, am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Die Politik solle nicht entscheiden, ob der Innenraum der Staatsoper modern oder historisierend umgebaut werden solle - sondern lediglich, ob überhaupt umgebaut werden solle, was es kosten dürfe und welche Kriterien zu erfüllen seien. Die ästhetische Entscheidung solle den Architekten und Fachleuten überlassen bleiben.
Die Linksfraktion hatte zusammen mit der SPD und gegen den Willen der Opposition eine aktuelle Stunde im Parlament zu dem Thema angesetzt. Die Opposition erwartete dann auch, dass die Regierungsfraktionen zumindest ihre Position zum Umbau darstellen würden. Doch sowohl Brauer als auch die SPD-Abgeordnete Brigitte Lange stellten lediglich ihre persönliche Meinung vor - eine gemeinsame Linie in ihren jeweiligen Fraktionen gibt es nicht.
Die Opposition forderte dagegen ein, dass das Parlement zumindest eine Empfehlung abgeben solle. "Sie drücken sich vor der echten parlamentarischen Verantwortung", warf die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Alice Ströver, der Koalition vor. Auch der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer kritisierte: "Sie belassen es bei einer unverbindlichen Aktuellen Stunde - gut, dass wir darüber geredet haben."
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äußerte sich erstmals zu dem Thema - und vermied es, sich festzulegen. Einerseits sei es "bisher Konsens gewesen, dass Entscheidungen bei bedeutenden Bauwerken von Jurys getroffen werden, und dann muss man auch den Mut haben, die Jury-Entscheidung anzuerkennen", sagte Wowereit. Die überwiegend mit Fachleuten besetzte Jury hatte sich mehrheitlich für einen modernen Umbau nach dem Entwurf des Architekten Klaus Roth entschieden. Gleichzeitig betonte Wowereit, es sei selbstverständlich, dass auch der Bund mitreden wolle, der schließlich den Großteil der Kosten trage. Die Vertreter des Bundes hatten sich in der Jury allerdings für einen historisierenden Entwurf eingesetzt, der lediglich auf dem zweiten Platz landete.
Wowereit sagte, derzeit würden die drei bestplazierten Architekturbüros daran arbeiten, genauere Darstellungen ihrer Pläne sowie weitere akustische Messungen vorzulegen. Insbesondere der der Sieger Klaus Roth müsse nacharbeiten. Dessen Illustration des Innenraumes sei "sehr detailfern" gewesen. Wowereit deutete einen Kompromiss an: Es werde kein Ergebnis geben, bei dem der eine jubelt, weil er sich auf voller Linie durchgesetzt hat, und der andere sich ärgert.
Der auf rund 260 Millionen Euro veranschlagte Umbau der maroden Staatsoper erhitzt seit Wochen die Gemüter und entzweit Traditionalisten und Modernisierer. Die Staatsoper müsse in ihrer historischen Gestalt als Unikat in der Theaterlandschaft erhalten werden, argumentieren die einen. Die Anhänger einer grundlegenden Erneuerung wollen vor allem die Mängel bei der Akustik und die Sichtbehinderung auf einem Viertel der rund 1.350 Plätze beheben. Stukkatur, Kristall und Gipsfiguren seien ohnehin nur Nachahmungen, die beim Umbau in den 50er-Jahren eingebaut wurden.
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