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Das Fahrrad zur nächsten Werkstatt schieben oder sogar tragen? Das muss nicht sein: Mobile Dienstleister kommen direkt zum Pannenort, nach Hause oder zur Arbeit

Eine Panne! Lieber doch Hilfe holen? Foto: Werner Otto/United Archives

Von Lars Klaaßen

Es fing auf dem Heimweg ganz harmlos an. Die Gänge gingen nicht mehr sauber rein. Ein paar hundert Meter weiter hatte die Gangschaltung sich komplett verabschiedet. Und nicht nur sie allein. Das ganze Hinterrad stand schief, hatte sich zwischen Rahmen und Schutzblech komplett verklemmt. Nicht mal mehr schieben ließ sich das schwere Hollandrad. Der nächste Laden mit Werkstatt? Mindestens zwei Kilometer weit weg – und schon seit einer Viertelstunde geschlossen. Der Montagabend war damit schon mal gelaufen. Aber wohin nun mit dem kaputten Fahrrad? Die Antwort: nirgendwohin, einfach anschließen und stehen lassen. In vielen großen Städten müssen Radler ihr Velo bei einer Panne nicht mehr selbst zur Werkstatt schleppen oder im Großraumtaxi abtransportieren. Sie können mobile Dienste zu Hilfe holen, der Doc kommt gewissermaßen zum Patienten. Auch in diesem Fall hieß das: einfach per SMS einen Termin vereinbaren. Am kommenden Tag wurde das Rad vor Ort repariert.

In Berlin haben Alltagsradler die Wahl zwischen mehreren Anbietern. Allerdings bedienen diese in der Regel nur einen Teil der großen Stadt, weil die Wege einfach zu lang sind. Fünf der „gelben Engel“ fürs Velo kooperieren miteinander. Sie haben die Stadt untereinander in Sektoren aufgeteilt. Je nachdem, wo das Pannenfahrrad steht, verweisen sie auf ihren Webseiten gegebenenfalls auf einen ihrer drei Kollegen, der dann kontaktiert werden soll.

Einer dieser fünf ist Sven Seeger, der unter dem Label Like-Your-Bike den Nordwesten Berlins befährt: „Auf die Idee kam ich 2017 und checkte zunächst den Markt, ob es denn in diesem Bereich überhaupt Sinn macht.“ So lernte er Norbert Winkelmann mit seiner Radambulanz kennen. „Er bot seine Hilfe an, statt Konkurrenz erlebte ich Unterstützung, und nachdem ich auch mal einen Tag mitgefahren bin, um zu erleben, wie das ist, stand mein Entschluss fest.“

Seeger musste zunächst einmal daran arbeiten, sich bekannt zu machen, damit Aufträge reinkommen. Er hängte Infozettel über seine Dienste samt seinen Kontaktdaten mit Gummibändern an Fahrräder, die auf den Straßen der Stadt standen. Heute gucken Leute neugierig, wenn er irgendwo auf dem Gehweg ein Fahrrad repariert. Seine Telefonnummer, groß auf sein Lastenrad geschrieben, fotografieren viele dann ab. Das Geschäft des Solo-Selbstständigen hat Fahrt aufgenommen. Die Kunden rufen ihn „zu 80 Prozent wegen eines Plattfußes oder nicht funktionierender Bremsen“. Wenn Seeger nicht im Einsatz ist, gibt es auch noch einiges zu tun: etwa Ersatz- und Verschleißteile bestellen, Rechnungen schreiben und auf Anfragen reagieren. Das Lastenrad, mit dem er zu seinen Kunden fährt, wird jeden Tag stark beansprucht – muss also auch schon mal repariert werden.

Berlin

radambulanz.de

radsam.berlin

rad-doc.berlin

oldgeorge.de

like-your-bike.com

dienstrad-berlin.de

München

radlwerkstatt.com

facebook.com/DerRadlrichter/

Köln

fahrradambulanz.com

piratenrad.de

Hamburg

mobilefahrradreparatur.de

mobiler-fahrradladen.de

planetwheel.de

fahrradtechnik.com

Heidelberg

radambulanz.com

Freiburg

mobile-zweirad-werkstatt.de

Münster

mw-bikes4you.com

leezen-doc.de

Peter Krech, seinen Kunden als „OldGeorge“ bekannt, ist mit einem Pedelec plus Anhänger unterwegs. Er bedient den Südosten Berlins und Teile des „fernen Ostens“ hinter der Stadtgrenze. „Das E-Bike erhöht meinen Radius“, sagt der ehemalige Lehrer. Der Bedarf am Stadtrand ist groß, denn Fahrradläden sind hier dünn gesät. „Ich war schon immer ein begeisterter Radler und Schrauber und habe das nun zu meinem Beruf gemacht.“ Den Hänger braucht er, um Pannenvelos abzutransportieren: „Etwa jedes dritte Rad fahre ich zu mir, wo ich mehr Werkzeug und Ersatzteile habe – und bringe es nach getaner Arbeit an den gewünschten Ort zurück.“

Die mobilen Dienstleister haben nicht immer alle Ersatzteile in ihren Lastenrädern mit dabei. Wer eine Panne hat, gibt durch, um welches Modell es sich bei seinem Velo handelt und wo das Problem liegt. Dann können die ambulanten Fahrradhelfer vor der Abfahrt entsprechend packen. So viel Platz wie ein Laden mit Werkstatt haben sie nicht. „Während ein Laden so um die 90 Prozent der nötigen Ersatzteile lagern kann“, schätzt Krech, „sind es bei mir etwa 70 Prozent – das, was am häufigsten benötigt wird.“ Was er nicht vorrätig hat, bestellt er nach Bedarf beim Großhändler.

Auch wenn die nächste Panne bestimmt kommt – sie lässt sich durch regelmäßige Inspektionen hinauszögern. Mancher Reifen wäre nicht platt, wenn der abgenutzte Mantel rechtzeitig erneuert worden wäre. Und ein Blick auf den abgenutzten Bowdenzug schützt vor nervigen Überraschungen. Auch darum kümmern sich die mobilen Dienste, und sie ersparen den Radbesitzern unnötige Fahrerei – und eine radlose Zeit. Egal ob Reparatur oder Fahrrad-Check, die meisten Radfahrer lassen die mobilen Dienste am liebsten nach Hause oder ins Büro kommen und können anderen Dingen nachgehen, während das Velo wieder fit gemacht wird: morgens klapprig aus dem Haus, runderneuert in den Feierabend.