: Sachsen-Anhalts SPD plötzlich erfolgreich
Der Juniorpartner der großen Koalition bekommt trotz magerer 21,4 Prozent Wählerstimmen die Hälfte aller Ministerien. Kindheits- und Schrumpfexpertin Dienel wird SPD-Staatssekretärin. Kultusminister Olbertz muss nicht in die CDU eintreten
AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH
Einmal mehr erzielt die SPD im Osten Deutschlands erst nach einer Wahl ihre größten Erfolge. Obschon sie in Sachsen-Anhalt Ende März nur 21,4 Prozent der Wählerstimmen erreichte, darf sie in der großen Koalition mit der CDU nun die Hälfte der acht Ministerposten besetzen. Darauf verständigten sich gestern die Verhandlungsführer Jens Bullerjahn für die SPD und Ministerpräsident Wolfgang Böhmer für die CDU.
Die Union, die mit 36,2 Prozent Stimmen deutlich besser abgeschnitten hatte, beanspruchte zunächst fünf Ministerien. Man könne die Probleme des Landes besser lösen, wenn man sich nicht in Personalfragen verheddere und den Koalitionspartner „ein bisschen großzügig behandelt“, begründete Böhmer jetzt sein Zugeständnis.
Nicht zur Disposition standen Wolfgang Böhmer als bisheriger und künftiger Ministerpräsident und Jens Bullerjahn als sein Vize und Finanzminister. Die weiteren Personalentscheidungen entsprechen den Namen, die bereits bei Aufnahme der Koalitionsverhandlungen Anfang April genannt worden waren. So wird SPD-Landeschef Holger Hövelmann, bisher Landrat des Kreises Anhalt-Zerbst, neuer Innenminister. Hövelmann hatte zwar zu DDR-Zeiten an der Offiziershochschule Zittau studiert und war SED-Mitglied, warb aber im Gegensatz zu Bullerjahn für einen strikten Abgrenzungskurs gegenüber der PDS.
Als erfahrenstes Kabinettsmitglied kehrt für die SPD Gerlinde Kuppe an die Spitze des Sozialministeriums zurück, das sie bereits von 1994 bis 2002 geleitet hatte. Ihre neue Staatssekretärin Christiane Dienel dürfte die interessanteste Personalie der Landesregierung in Magdeburg sein.
An der Hochschule Magdeburg-Stendal besetzte Dienel den bundesweit einzigen Lehrstuhl für Kindheitswissenschaften und machte mit demografischen Forschungen von sich reden. Ihr alarmierendes Zahlenmaterial diente Jens Bullerjahn als Unterlage für seine Strategiepapiere über einen schmerzhaften Schrumpfungsprozess in Verwaltung und Staatsaufbau. Zuletzt erwarb Dienel mit der vielbelächelten „Heimatschachtel“ Aufmerksamkeit, die Auszubildende und in den Westen abgewanderte Bürger wieder an ihre Heimat binden sollte. Die SPD-Ministerriege rundet eine weitere Professorin ab. Angela Kolb arbeitete bislang als Dekanin der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Sachsen-Anhalts und wird das Justizressort übernehmen.
Für die CDU wollte Ministerpräsident Böhmer die formalen Spielregeln einhalten und die Namen der Minister erst nach einer Sitzung des Landesvorstandes gestern Abend bekannt geben. Erwartet wird, dass der bisherige Wirtschafts-Staatssekretär Reiner Haseloff zum Minister für Wirtschaft und Arbeit aufsteigt. Das bisher schon von Karl-Heinz Daehre geführte Bau- und Verkehrsministerium wird um die Kompetenzen für Landesentwicklung erweitert. Für Landwirtschaft und Umwelt bleibt Petra Wernicke zuständig.
Die stärksten internen Auseinandersetzungen in der Union hatte es um den parteilosen Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz gegeben. Vor allem die Parteibasis hatte seinen Eintritt in die CDU verlangt. Olbertz aber betonte stets seine Unabhängigkeit und sympathisiert beispielsweise mit SPD-Vorstellungen einer gemeinsamen achtjährigen Schulzeit. Ministerpräsident Böhmer aber steht fest zu seinem Bildungsexperten, so dass auch dieser sein Amt für weitere fünf Jahre fortführen dürfte.