Saatchi & Saatchi-Werbechef Roberts: "Akademiker sind zerstörerisch"
Krieg, Konsum, Kommunikation: Kevin Roberts, Chef der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, will als radikaler Optimist zur Marke werden. Seine Botschaft: All you need is love.
taz: Herr Roberts, Sie leben von Werbespots - Fernsehzuschauer sind genervt davon. Was hat das mit Liebe zu tun?
Kevin Roberts, 58, wurde in Lancaster, England geboren. Mit 16 stieg er als Werber bei der Kosmetikfirma Mary Quant ein. Später arbeitete er unter anderem als Marketing- Manager bei Procter & Gamble und Gilette sowie als Firmenchef von Pepsi Cola in Kanada, bevor er zu Saatchi & Saatchi wechselte. Er lebt mit seiner Familie in Neuseeland. Am Donnerstag stellt er in Frankfurt seine poppige Werbe-Bibel "The Lovemarks Effect" vor.
Kevin Roberts: Sie hassen nur schlechte Werbespots. Aber sie mögen gute Werbung. Ich kann Ihnen zwanzig Spots zeigen, die Sie zum Weinen oder zum Lachen bringen. Also sollten wir aufhören, schlechte Werbung zu machen, in der einem ein Preis oder ein Sonderangebot entgegengeschrien wird. David Ogilvy, ein großer Mann der Werbung, hat mal gesagt: Die Kundin ist keine Idiotin. Sie ist deine Frau.
Propagieren Sie daher "Geheimnis, Intimität und Sinnlichkeit", um sogenannte Lovemarks oder Lieblingsmarken zu schaffen?
Mein Leben besteht aus Sinnlichkeit. Ich kann nicht ohne Musik leben, ohne Kunst anzuschauen. Ich will Dinge fühlen. Als ich Ende der Sechzigerjahre bei Mary Quant anfing, der Erfinderin des Minirocks, habe ich als Brand-Manager selber Make-up bei den Kundinnen aufgetragen.
Mary Quant hat mit Ihnen in New York Ihre letzte Buchveröffentlichung gefeiert. War sie Ihre Mentorin?
Sie hatte großen Einfluss auf mich und machte genau das Richtige: nämlich keine Marktforschung, keine Kundenbefragung. Es ging allein um die Idee. Das war sehr befreiend. So entstand die erste wasserfeste Wimperntusche. Einige wollten sie als das "Mascara, in dem man schwimmen gehen kann", vermarkten. Aber ich sagte: Nein, das ist das Make-up, in dem man Liebe macht. Man kann lachen, weinen, lieben dam it. Es ging einzig um die emotionale Verbindung. Auch in der Mode geht es ja nicht darum, wie wir aussehen, sondern darum, wie wir uns fühlen. Das ist das Wichtigste.
Zwei weitere Wortschöpfung von Ihnen: "Sisomo" und "Attraction Economy".
"Sisomo" bedeutet Sight, Sound, Motion - Anblick, Geräusch, Bewegung. Hat es ins Oxford Dictionary geschafft. "Attraction Economy" ist die Epoche der Anziehungskraft. Wir haben das Zeitalter der Information und des Wissens hinter uns gelassen. Einige Firmen leben immer noch im Informationszeitalter, Hewlett Packard und IBM zum Beispiel. Dann kam die Ära der Aufmerksamkeit - wie schafft man es, die Fülle der Informationen zu sondieren? In der Masse auf sich aufmerksam zu machen? Aber die Leute sind es inzwischen leid, dass man auf sie einbrüllt und ihre Aufmerksamkeit haben will. Daher sind wir jetzt bei der Anziehungskraft angelangt. Man muss sich hingezogen fühlen, in einen Dialog treten. Niemand lässt sich mehr etwas aufzwingen.
Erinnern Sie sich an den Ribena-Skandal? Der Traubensafthersteller wurde vor einem Jahr von zwei Schülerinnen in einem simplen Laborversuch des Betrugs überführt: Die verlockenden Gesundheitsversprechungen auf der Packung stimmten nicht mit dem Vitamingehalt des Getränks überein, das aus Farbstoff und Zucker besteht. Da stimmte zwar der Wohlfühlfaktor, aber nicht die Information.
Ich habe mich für Ribena geschämt und war schockiert. Als fünfjähriger Junge in Lancashire habe ich geglaubt, dass Ribena mich gesund macht. Meine Mutter hat es mir im Winter als Heißgetränk serviert. Wer Lügen verbreitet, verdient es, bestraft und vergessen zu werden. Respekt und Authentizität müssen stets Voraussetzung sein. Wie kann man jemanden lieben, der einen anlügt? Liebe kann man nicht verlangen, sondern sich nur verdienen - durch Ehrlichkeit.
Haben Sie eine Lovemark?
Neuseeland, wo ich seit 19 Jahren lebe und eines meiner vier Häuser habe, ist meine ganz persönliche Lovemark. Für jeden ist es etwas anderes. Für Richard Gere wahrscheinlich der Dalai Lama.
Machen uns Lovemarks glücklicher?
Aber natürlich tun sie das. Selbstverständlich! Eine Marke ist ja nur ein Name, der sich aus einem Warenzeichen entwickelt hat. Man identifiziert sie, damit man beim nächsten Mal wieder danach fragen kann - weil sie einen beim ersten Mal glücklich gemacht hat. Aber mittlerweile schulden wir den Leuten viel mehr: die Möglichkeit, sich in eine Erfahrung zu verlieben. Liebe ist das stärkste aller Gefühle. Ein Leben ohne Liebe ist ein trauriges Leben.
Sie reden ständig von Liebe, aber es geht doch letztendlich nur ums Verkaufen?
Falsch. In der Werbung geht es nur ums Verkaufen. Werbung und Konsum haben damit überhaupt nichts zu tun. Lovemark ist ein Begriff für etwas Größeres - anstatt nur an eine Marke zu denken, was sehr bedarfsbezogen und altmodisch ist. Schauen Sie, Sie tragen eine Markenuhr, Markenschuhe, Markenjeans, -handtasche.
Einspruch, die Tasche ist ein Unikat vom Flohmarkt.
Die Tatsache, dass sie so unverwechselbar originell, individuell und gebraucht ist, ist ebenfalls eine Marke, weil das etwas über Sie aussagen soll. Das ist genauso Branding, nichts anders als wenn Naomi Klein und die Anti-Global-Gang von "No Logo" reden. "No Logo" ist nichts anderes als reines Branding. Weil es um Identifikation geht. Man will damit seine Persönlichkeit ausdrücken.
Was stört Sie so an den Globalisierungsgegnern?
Ich bin kein Freund von Anti-Irgendwas. Ich finde das sehr zersetzend. Deutschland zum Beispiel ist in seiner intellektuellen Theorie zerstörerisch. Akademiker finde ich zerstörerisch. All diese Gegner von allem und jedem - a pain in the arse. Sie sind nutzlos. Unsere Gesellschaft sollte von radikalen Optimisten vorangetrieben werden, die unsere Welt verbessern wollen, indem sie etwas erschaffen.
Ihr Toyota-Slogan "Nichts ist unmöglich" als Lebensmaxime?
Absolut. Er hängt in überdimensionaler Blindenschrift als Kunstwerk in meinem Haus. Vor drei Wochen war ich mit Francis Ford Coppola in Brasilien, und er sagte mir, er wisse nur eine Sache sicher: dass wir am Ende alle sterben. Daher frage ich mich ständig, was wir mit diesem schönen Leben anfangen. Dazu gehören Glück und Fröhlichkeit. Den Zynikern sage ich: Also wollt ihr nicht glücklich sein? Das ist eine interessante Wahl, und ich sehe, dass ihr jämmerliche Fieslinge seid, aber ich möchte euch nicht in meiner Nähe. Ihr verseucht meine Umgebung.
Ist Deutschland aus Ihrer Sicht ein Hort negativer Energie?
Europa ist zurzeit erstarrt, ohne Ideen, und in Debatten über sehr durchschnittliche Themen gefangen. In Deutschland bleibt wenig Zeit fürs Träumen. Ich habe große Hoffnungen in Angela Merkel gesetzt, weil sie eine Frau ist, und was ist daraus geworden? Eine Enttäuschung. Sie ist nur eine Funktionärin.
In Barack Obama dagegen sehen Sie den Visionär?
Er verkörpert meine Jugend, J. F. Kennedy. Obama steht für Neuanfang und Veränderung, die die Welt braucht. Das ist Führung, die nicht nur politisch, sondern human ist. Die Bushs und die Clintons repräsentieren nur Macht. Obama steht für etwas.
Haben Sie nicht Bushs "War on Terror" umtaufen wollen in "Fight for Freedom"?
"Fight for a better world". Sparen Sie sich Ihre Klugscheißerscherze. Es ist ein viel besserer Begriff. Ein Krieg gegen Terror, der niemanden einbezieht, bewirkt Krieg von beiden Seiten. Ich wollte die Debatte so gestalten, dass alle Beteiligten, auch die Islamisten und al-Qaida, einen neuen Blick auf diese Sache werfen können mit dem Blickwinkel: "Wenn wir für eine bessere Welt kämpfen, was ist unsere Taktik?" Heißt das dann, dass man einmarschiert? Wahrscheinlich nicht. Ein "Krieg gegen Terror" dagegen rechtfertigt extreme Aktionen. Extreme Sprache ebenso.
War dieses politische Rebranding erfolgreich?
Nein. Es war ein Versuch, aber ein gescheiterter. Heißt das, es lieber nicht zu versuchen? Ich wünschte, alle würden sich mal überlegen, was sie für eine bessere Welt wirklich tun können. Denn selbst die radikalen Extremisten suchen nach einer besseren Welt, auch wenn sie im Jenseits ist.
Braucht die Welt noch mehr Bildschirme?
Ich glaube, es kann gar nicht genug Werkzeuge geben, mit denen man kommunizieren oder Menschen berühren kann. Niemals. Von den 6 Milliarden Menschen auf der Welt sind derzeit 2 Milliarden per Mobilfunk vernetzt. Was wäre das fantastisch, wenn es 6 Milliarden würden! Denn wenn die Menschen im tiefsten Äthiopien besser vernetzt wären, würden sie sich nicht so viel Mist gefallen lassen. Ich bin ein Imperialist, wenn es um Kommunikation geht. Jedem Haushalt auf der Welt würde ich gern für 100 Dollar einen Computer geben. Kostenlose Handys für alle. Nur so geht es vorwärts. Wenn die westliche Welt weiter diesen Kapitalismus der Ausschließung betreibt, liegen elende hundert Jahre vor uns. Wir müssen jeden einbeziehen, und das geht nur über den Bildschirm. Was sollen wir sonst verwenden - Rauchzeichen?
Wie haben Sie es geschafft, Cat Stevens Lied "Father and Son" als Soundtrack für die Telekom-Werbung verwenden zu dürfen?
Er lebte bereits als Yussuf Islam in Saudi-Arabien und hat seine Musik nie für etwas hergeben. Wir haben neun Monate an ihm gearbeitet, bevor er Ja sagte. Das war es, nur ein Ja auf einem Fax zurück - wir hatten ihm das Drehbuch für den Spot geschickt, in dem es um einen Sohn geht, der mit dem Vater vor dessen Tod in Verbindung bleibt. Und über zwei Kinder aus Serbien und Kroatien, wie deren Verbundenheit das Problem zweier blutiger Nationen überwinden kann. Es war zutiefst berührend.
Hatten eingefleischte Cat-Stevens-Fans damit ein Problem?
Was glauben diese Leute - dass sie verdammt noch mal Cat Stevens besitzen? Das ist so abgehoben. Cat Stevens wollte, dass sein Song etwas verändert. Es war allein seine Entscheidung, er hat keinen Penny dafür genommen.
INTERVIEW: ANKE RICHTER
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