piwik no script img

Archiv-Artikel

SYRIEN: REPRESSION IM SCHATTEN VON HAMAS UND AHMADINEDSCHAD Jeder Reformer gilt als Verschwörer

Während die Weltöffentlichkeit mit Irans Nuklearkrise, Palästinas Hamas-Regierung und Saddam Husseins Prozess beschäftigt ist, will das syrische Regime unbemerkt im Inland aufräumen. Jetzt hat der Sicherheitsapparat eine neue Möglichkeit gefunden, Syriens Regimekritiker einzuschüchtern: Zeitgleich mit einem Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat, der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Syrien und Libanon fordert, erschien in der libanesischen Presse eine Erklärung von 274 Intellektuellen beider Länder, die Ähnliches forderte. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung lieferte Damaskus eine Steilvorlage.

Die Petition unterstütze die amerikanisch-israelische Verschwörungskampagne gegen Syrien, hieß es in der staatlichen Presse. Denn die Erklärung fordere das Gleiche wie der US-Resolutionsentwurf und missachte die engen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn. 12 der 134 syrischen Unterzeichner wurden seitdem verhaftet, manche sind nach stundenlangen Verhören freigekommen, andere sitzen noch in den Geheimdienstzentralen fest. Wer bislang verschont blieb, versucht unterzutauchen.

Bei der Verhaftungswelle geht es indes weder um die Erklärung – die stammt vom 6. April und kursierte seitdem im Internet – noch um das Verhältnis der beiden Nachbarländer. Längst hat Damaskus eingesehen, dass an einer Anerkennung des Libanon kein Weg vorbeiführt. Aber zunächst soll die zunehmend aufmüpfige Opposition zum Schweigen gebracht werden.

Dabei könnten diese Leute wichtige Verbündete des Regimes sein. Alle, die jetzt hinter Gittern sitzen, plädieren für Reformen von innen statt Regimewechsel von außen. Sie fordern enge syrisch-libanesische Beziehungen, um der Vormachtstellung Israels und der USA gemeinsam entgegentreten zu können. Doch nun vergrätzt das Baath-Regime auch noch die loyalen Oppositionellen. Dabei haben die Intellektuellen mit ihrer Erklärung eines bewiesen: dass sich die Freundschaft zwischen Syrern und Libanesen auch von unbedachten Politikern nicht zerstören lässt. KRISTIN HELBERG