SUSANNE OSTHOFF DARF DIE DEUTSCHE ÖFFENTLICHKEIT SCHOCKIEREN : Die Geisel will zurück in ihr Land
Nicht nur die deutsche Regierung und die so genannten Experten sind schockiert über die Pläne Susanne Osthoffs, in den Irak zurückzukehren. Ganz Deutschland steht unter Schock. Denn irgendetwas fehlte im Osthoff-Interview, dass vorgestern auf den arabischen TV-Kanälen lief.
Wo war die allein erziehende Mutter von nebenan, die „Suse aus Bayern“, die wochenlang von den Medien porträtiert wurde? Wo die brave Tochter, die nichts anderes will, als Weihnachten im Kreise ihrer Lieben unterm Christbaum zu feiern? Wo das deutsche Opfer in den Händen der irakischen Täter, das Politiker, Journalisten, Verbände und ganz normale Bürger zu Solidaritätskundgebungen bewegte? Wo die Europäerin, die am eigenen Leibe erfahren musste, wo der Unterschied zwischen dem zivilisierten Europa und dem vom Terrorismus verseuchten Nahen Osten liegt?
Es gibt sie nicht. Natürlich war im arabischen Fernsehen eine verängstigte Exgeisel zu sehen, was in Anbetracht der Umstände verständlich ist. Doch Susanne Osthoff fiel nicht über die geiselnehmenden Araber her, wie viele erwartet hatten. Sicher, sie hat den Tod mit den eigenen Augen gesehen – aber ihre Entführer haben sie „gut behandelt“ und ihr gesagt, sie wüssten, dass sie „eine muslimische Schwester“ und „eine Freundin des Irak“ sei. Sicher, sie wurde mal in einem Kofferraum versteckt, mal in einer Gegend gefangen gehalten, von wo aus Granatexplosionen zu hören waren. Doch das alles fand in Susanne Osthoffs eigenem Land statt, nicht etwa in der Fremde. Genau das ist der Punkt: Susanne Osthoff verhielt sich im Interview wie eine arabische, eine irakische Geisel – wie hunderte, wenn nicht tausende andere. Keine Spur von „Hier-sind-wir-dort-sind-die“.
Für die deutsche Öffentlichkeit ist es irritierend, wenn eine deutsche Exgeisel im arabischen Fernsehen über die Besetzung des Irak und die Nöte der Iraker redet; über Geiselnehmer, die auch nur Menschen sind; und über Geiselnahmen, die nicht mit der Rückkehr nach Deutschland enden, sondern mit dem Verbleib in der eigenen Wahlheimat. Schon schockierend, was „die da“ mit unseren deutschen Mädels machen. AKTHAM SULIMAN
Der Autor ist Korrespondent von al-Dschasira in Berlin