■ SURFBRETT: Lila glühen die Alpen
Spätestens seit der Eröffnung des Maggi Kochstudios unter http://www.maggi.de beschleicht einen das ungute Gefühl, daß das Internet überhaupt nicht so anarchistisch ist, wie es der zum Mitbewohner mutierte Student der Elektrotechnik einem immer weismachen möchte. Überall leuchten dem genervten Surfer kleine Werbeblöcke entgegen, die bunt und fröhlich die wunderbarsten Freuden versprechen – und beim Draufklicken wieder nur langweilige Seiten ebenso langweiliger Firmen präsentieren.
Auf http://omni.cc.purdue.edu/~ royald/gallery.htm zeigt uns Derek Royal, daß Werbung auch Spaß machen und teilweise richtig absurd sein kann. In seiner Sammlung finden wir gigantische elektronische Radarfrösche für den Vorgarten. Wer sich näher als drei Meter an sie rantraut, wird gnadenlos angequakt. Hosen mit eingebautem Sex-Appeal sowie jodelnde Keramikbayern liefern den Beweis, daß die Werbung vor nichts zurückschreckt und daß keine Geschmacklosigkeit von den genialen Geistern ausgelassen wird, die ihre karge Existenz in den abgedunkelten Kellerräumen gigantisch großer Werbeagenturen fristen und termingerecht die allerneueste Internet- Werbung abliefern müssen. Zum Beispiel für die leckeren Bahlsen-Kekse (http:// www.bahlsen-snacks.de), Jacobs Dröhnung (http://www.jacobs.de/) oder Schokolade (http:/www.milka.de/).
Jeffrey Zeldman, ein freischaffendes Genie in der Wilden Welt der Werbung (WWW), hingegen zeigt unter http:// www.zeldman.com die schlimmsten Alpträume der Werbetreibenden auf. In „Anzeigen aus der Gruft“ findet man seine aus den unterschiedlichsten Gründen von Agenturen abgelehnten Kreationen. Eine amerikanische Brauerei mit einem „authentischen Doppelbock“ zum Beispiel konnte mit dem Slogan „Ein Bier, und man denkt, man wäre in Deutschland. Zwei, und man denkt, man fällt in Polen ein“ nichts anfangen, während der Fernsehsender ABC bei einer Werbekampagne für eine TV-Show mit dem Rest der Beatles ein Werbeplakat nicht akzeptierte, weil draufstand, daß man noch mal drei Kugeln brauche. Vielleicht waren Paul, George und Ringo nicht bereit, ihrem alten Frontman John für eine Jam-Session ins Jenseits zu folgen. Ein paar alte Demobänder und ein kun diger Tontechniker tun es schließlich auch.
Wir unterbrechen jetzt für ein paar Meldungen von unseren Sponsoren, die uns diese Show ermöglichen. Bleiben Sie bei uns! Erik Schmid erik@rat.de
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