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■ SURFBRETTGanz Österreich geht offline

Tiefe Datennacht über den virtuellen Gipfeln der österreichischen Alpen, und aus Wien keine einzige Melange mehr auf dem Schirm: Am Dienstag zwischen 16 und 18 Uhr war ganz Österreich im Internet verschwunden. Unter dem Schlachtruf „Ein Land geht offline“ demonstrierten Österreichs Internet-Provider gegen die Durchsuchung der Firma „ViP“ (Vienna Internet Provider) am letzten Donnerstag.

Anlaß war eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Münchner Staatsanwaltschaft vom 10. März 1996: Einer der ViP- Kunden hatte angeblich Kinderpornos ins Netz eingespielt. Obwohl selbst Wiener Kriminalern bekannt sein müßte, daß sich auf den Rechnern keine Daten befinden, die über ein Jahr alt sind, wurden sämtliche Geräte beschlagnahmt.

Ein kleines Unternehmen ist damit seiner Existenzgrundlage beraubt. ViP selbst schreibt: „Im vorliegenden Fall ist der Provider nicht angeklagt, er wird nur zur Beweissicherung vernichtet. Es ist nicht einmal klar, wie die illegalen Inhalte ins Netz gekommen sein sollten (Mail/ News?) – auch nicht, wer die Anzeige erstattet hatte (anonymer Hinweis). Man könnte doch glatt glauben, jemand versucht, für das geplante Mediengesetz Stimmung zu machen. Gut, daß die Richter unabhängig agieren können und Recht zum Recht verhelfen werden.“

Der (noch in Gründung begriffene) österreichische Verband der Internet- Provider (ISPA) rief dazu auf, aus Protest gegen diesen bislang schwersten Eingriff des österreichischen Staates die Verbindung zum Netz für Stunden gleich ganz zu unterbrechen. Den Schaden trugen die Kinden, aber der Verband weist bedauernd „die Öffentlichkeit, Politiker und Behörden“ darauf hin, „daß unter derartigen Rahmenbedingungen ein Internet- Betrieb nicht möglich ist“. 82 der etwa 100 österreichischen Provider haben sich an den Aufruf gehalten. Damit waren geschätzte 98 Prozent der österreichischen Netzzugänge lahmgelegt.

Dabei verurteilt der Providerverband selbst die Verbreitung illegaler Inhalte und will den Behörden helfen, Straftaten zu verhindern. Auf einer Pressekonferenz bot er am Montag sogar Schulungen und kostenlose Internet-Zugänge für die Justizbehörden an. Auch die Einrichtung einer „Internet-Koordinationsstelle“, die Hinweise auf illegale Inhalte im Internet entgegennimmt, mit Behörden und den jeweiligen Providern zusammenarbeitet, ist schon in Planung. Alles weitere unter http://www.internet.at Ilja Gerhardt

ilja@so36.de

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