STREUBOMBEN GEHÖREN GEÄCHTET. DIE REGIERUNGEN SEHEN DAS ANDERS: Der moderne Krieg und seine Opfer
Welche konventionelle Waffe kann eigentlich noch heimtückischer sein, noch grausamer als eine Streubombe, die ihr militärisches Ziel verfehlt, beim Aufschlag auf den Boden zunächst nicht explodiert, aber Monate oder gar Jahre später die Kinderhände abreißt, die sie berührt haben? Wenn derart perfide Mord- und Verstümmelungsinstrumente nicht gemeint waren, als vor nunmehr 21 Jahren die „UNO-Konvention zum Verbot besonders grausamer und heimtückischer konventionellen Waffen“ vereinbart wurde, dann war dieser völkerrechtliche Vertrag schon damals das Papier kaum wert, auf dem er geschrieben wurde.
Dennoch halten die Regierungen der USA, Deutschlands, Russlands, der Schweiz und zahlreicher anderer Staaten Streubomben weiterhin für unverzichtbar zur so genannten modernen Kriegsführung; sie nehmen den Tod oder die Verstümmelung unschuldiger Zivilisten auch künftig billigend in Kauf. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konventionen und andere einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts. Daran ändern auch alle noch so raffinierten technischen Vorschläge zur Einschränkung des Einsatzes von Streubomben nichts, wie sie jetzt die Schweiz bei der Genfer Überprüfungskonferenz zu der UNO-Konvention vorgelegt hat. Derartige Vorschläge schützen nur die jeweils in den eigenen Arsenalen vorhandenen Waffen vor Verbot und Verschrottung; zugleich erlauben sie der heimischen Rüstungsindustrie profitable Aufträge für die Nachrüstung waffentechnisch noch unterentwickelter Länder. Entsprechendes gilt auch für die Vorschläge zu Panzerabwehrminen, die die Berliner rot-grüne Koalition gemeinsam mit der Bush-Administration und sieben anderen Regierungen in Genf vorgelegt hat.
Wie stark Militär- und Rüstungsinteressen humanitäre Prinzipien überwiegen, zeigt auch die Tatsache, dass selbst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) seine nach dem Jugoslawienkrieg noch deutlich formulierte Kritik an den Streubomben abmildern musste. Das IKRK fordert inzwischen nur noch, dass Staaten, die Streubomben einsetzen, die nicht explodierten Exemplare wieder wegräumen sollen.
ANDREAS ZUMACH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen