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Archiv-Artikel

STILKRITIK Peers Krawatte

Ein Skandal. Peer Steinbrück trägt eine rote Krawatte. Auf Wahlplakaten schmückt ihn der Umbinder aus dem französischen Modetraditionshaus Hermès. Kostenpunkt: 150 Euro.

Das reicht für die Junge Union schon, um ein neues Peer-Steinbrück-„Fettnäpfchen“ heraufzubeschwören. Auf Twitter verlinken die konservativen Kinder ein Bild des Plakats mit einer Montage aus dem Hermès-Onlineshop. Zu sehen: die Krawatte. Dazu schreiben sie: „Der Kandidat der Sozialen Gerechtigkeit in Aktion #mindestlohn #hermes“.

Darf ein Linker schön gekleidet sein, Kontakt zum guten Leben haben? Früher wurde schon Oskar Lafontaine deswegen öfter angegangen.

Peer Steinbrück verdient ausschließlich Lob. Die Krawatte passt perfekt. Sie nimmt die SPD-Farbe auf. Sie ist von Hand gefaltet. Und besteht aus Seidentwill.

Zu luxuriös? Die Idee, Linke müssten scheiße aussehen oder wären nicht kapitalistischen Mechanismen wie der Lust an der Marke unterworfen, bleibt absurd. Vor allem kommt sie sonst von Linkssozialisierten, für die Ästhetisches nicht nur Ausdruck von Oberfläche, sondern auch immer gleich Oberflächlichkeit ist. Sieht so also die viel beschriebene Sozialdemokratisierung der Union aus? Übernehmen sie jetzt den Jutebeutelduktus des politischen Gegners.

Diese Diskussion, beziehungsweise ihre Nörgeligkeit, ist übrigens eine deutsche. In anderen Ländern – wie Italien oder Frankreich – wird mit Stil im politischen Betrieb anders umgegangen. Entspannter, lockerer – einerseits. Bewusster, ästhetisch versierter – andererseits.

Was die Unionsjugendlichen da schreiben, ist ein Affront gegen jeden Menschen mit Sinn für Ästhetik. Zumal: Die Bundeskanzlerin kauft eben auch nicht irgendetwas. Ihre berühmte „Schlandkette“, die sie am Sonntag beim TV-Duell trug, liegt preislich ebenfalls im dreistelligen Bereich; hergestellt in Deutschland, handgefertigt. Gut, soziale Gerechtigkeit aber ist jetzt natürlich auch nicht ihr Thema.

Um es mit den Worten des Fußballtrainers César Luis Menotti zu sagen: Linker Fußball will nicht nur siegen, sondern dabei auch das Schöne, mithin das Bessere im Menschen fördern. Das kann linke Politik doch hoffentlich auch. ENRICO IPPOLITO