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Archiv-Artikel

STILKRITIK Anderer Leid

Was für herrliche, elegante Gefechte hätte es in diesem Wahlkampf zur künftigen Energieversorgung geben können. Darüber, wie sinnvoll es ist, den Umstieg auf grünen Strom mit einem immensen Verbrauch von Flächen zu erkaufen. Darüber, ob es sinnvoll ist, in Brandenburg die nächsten 40 Jahre Braunkohle abzubauen. Wie kann man sozial Schwache vor steigenden Heizölpreisen schützen? Wie europaweit eine Energiewende schaffen?

Stattdessen geht es zu wie bei einer Kneipenschlägerei. Wobei die Industrieverbände mit Vorliebe von hinten mit Bierkrügen auf Köpfe kloppen, anders gesagt: unfair sind. Im europäischen Vergleich sind die Energiekosten der deutschen Industrie in den letzten Jahren gesunken. Gerade die angeblich von der Energiewende so hart getroffene Schwerindustrie hat sich von ihrer Finanzierung verabschiedet. Die Deutsche Umwelthilfe hat die Zahlen jetzt noch mal genüsslich zusammengefasst und sagt: Der Ausgang der Bundestagswahl entscheidet über den Erfolg der Energiewende.

Es ist das eine, seine Positionen zu vertreten. Wie es Teile der Industrie im Verbund mit der FDP geschafft haben, sich als Opfer der Energiewende zu stilisieren und damit zu verschleiern, dass ihre Weigerung, sich adäquat an den Kosten zu beteiligen, Teil des Problem ist, ist allerdings ein Meisterstück dunkler PR. Erst sorgt man dafür, dass die eigene Klientel nichts zahlt und treibt so die Kosten für Privathaushalte nach oben. Dann sorgt man sich wiederum um eben diese Privathaushalte, okkupiert die Sorgen alleinerziehender Mütter, die ihre Stromrechnung nicht zahlen können, für eigene Zwecke. Und um das selbst geschaffene Problem zu lösen, fordert man, wie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, am Ende einen kompletten Förderstopp für die Erneuerbaren. Oder ein Energiewendemoratorium, wie Rainer Brüderle.

Tröstend dabei: Man erinnert sich heute mit Spott an lustige CSU-Politiker aus den 80ern, die meinten, die deutsche Autoindustrie gehe kaputt, wenn der Katalysator eingeführt wird. Oder wie im Jahr 2011: die Lichter gehen ohne Atomkraft aus. So endet man als Trottel der Geschichte. INGO ARZT