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■ STANDBILDSchiedsrichter und Heuschrecken

(Aktuelle Sportstudio im ZDF, Samstag, 11.12., 22.00 c.t.) Das Schlimmste am ZDF-Sportstudio ist in der Regel der Anfang. Der nämlich läßt häufig auf sich warten, weil irgendeine Koryphäe der bundesdeutschen Fernsehunterhaltung mal wieder nicht in der Lage ist, ihre Sendung im Zaum zu halten. Diesmal war es Frank Elstner, der die Sportpuristen zwangsverpflichtete und sie hilflos mitansehen ließ, wie ein Wurm und eine Heuschrecke, beide recht wohlgenährt, minutenlang auf einer Glasplatte herumkreuchten, aber leider nicht fleuchten.

Mit halbstündiger Verspätung war es dann soweit. Bestürzt und verbissen dreinblickende „Zuschauer im Studio“, denen vorher gesagt worden war, daß sie nicht in die Kamera grinsen sollen, bevölkerten plötzlich die Mattscheibe und klatschten pflichtschuldigst-herzhaft in die Hände, dicht gefolgt von Moderator Dieter Kürten, der gewohnt salopp seine Begrüßung ins Fernsehvolk charmützelte.

Dann ging es in medias pedes, zum DFB-Pokal. Nach Schalke, wo Dortmunds Spieler Pagelsdorf mit einem Journalisten rangelte, nach Leverkusen, wo Waldhof Mannheim zwei Spieler mit der Nummer 11 aufs Feld schickte und die Gastgeber damit so verwirrte, daß sie ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit gewannen, und nach Stuttgart, wo Trainer Schlappner, mittlerweile zum 1.FC Saarbrücken hinabgestiegen, beharrlich versuchte, seinen Schnurrbart zu fressen und von Gaudino eins auf den Hut bekam – genüßlich präsentierte Details, die das Sportstudio gelegentlich so liebenswert machen.

Aber auch Knüller gab es zu bestaunen. Vermittels dunklen Machenschaften haben es die Mainzer geschafft, der ARD die Pokalauslosung, einen der tückischsten Anschläge auf das dicke Fell des Fernsehzuschauers, abspenstig zu machen. Die sowjetische Turnerin Svetlana Boginskaja durfte die Lose ziehen, erledigte diese Pflichtübung mit Bravour, mußte die Höchstnote 10 jedoch dem Nachfolger der guten alten Pokalfee Walter Baresel, Horst Schmidt (“Pokal-Schmidt“) vom DFB (“Ein tolles Viertelfinale“), überlassen, der mit seinem Abgang für helle Begeisterung sorgte.

Die Weihnachtsbotschaft der FIFA – „Seid fair zueinander“ überbrachte Generalsekretär Blatter, und auch Olaf Thon war gekommen. Dessen Münchner Bayern hatten am Mittwoch unliebsame Bekanntschaft mit Mailänder Fußballerfäusten gemacht, eine Verwechslung der Disziplinen, anhand derer sich – oh Wunder – eine regelrechte Diskussion entspann. Sie drehte sich vor allem um die Frage, ob Schiedsrichter nun blind, feige oder dilettantisch sind, und versprach gerade spannend zu werden, als sie auch schon abgewürgt wurde. Die Zeit drängte, die Torwand rief, und Kürten heißt halt nicht Elstner. Vielleicht sollte er das nächste Mal vorsichtshalber ein paar Heuschrecken mitbringen.

Matti Lieske

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