■ STADTMITTE: Wasser-Rambos raus
Wasser-Rambos raus
Eine meiner schönsten Segelpartien begann, es war lange vor Öffnung der Gewässer vor Berlin, morgens um halb vier. Ein leichter, warmer Sommernachtwind trieb das kleine Dinghy aus der Scharfen Lanke die Unterhavel hinunter. Es war wundervoll ruhig auf dem Wasser. Von der Pfaueninsel an schien es vollends verwunschen: im Röhricht die Laute der Wasservögel, die Brise in den Blättern von Bäumen und Schilf, die klickernden Wellen am Bug und das Saugen am Ruderblatt. Natur pur, sonst nichts. Sentimentale Idylle.
Ich habe nie verstanden, warum man freiwillig Motorboot fahren kann. Die Dinger stinken, sind laut und instabil. Es gibt die verschiedensten Varianten davon. Das klassische Berliner Motorboot, der Kanadier mit Mini-Außenborder, ist mittlerweile ausgestorben, die schwimmende Laube — ein Viertel Berliner Traufhöhe — liegt immer noch bei Brunow und sonstwo, nur selten unter Fahrt. Zugenommen haben schwere Yachten, denen man gelegentlich auch auf Anholt oder Mon begegnen kann, also in Küstengewässern, wo sie auch hingehören. Und da sind noch die Water-Bikes der Wasser-Rambos und die Speed- Boote irgendwelcher Lackaffen, die zu viel Miami Vice gesehen und zu gut mit der Treuhand gedealt haben, anderthalb Meter Heckwelle bei 3 sm Marschgeschwindigkeit.
Und wir sind beim Thema. Es ist ausgelutscht bis zum Es-geht-nicht- mehr. Also in Stichworten: Der Müggelsee ist Trinkwasserreservoir für 300.000 BerlinerInnen. Die Unterhavel entlang fördern die Wasserwerke »Uferfiltrat« für weitere 300.000. Die Bootsdichte auf den Berliner Gewässern ist die höchste der Welt. Die Berliner Gewässer sind belastet. Röhricht reinigt das Wasser, also muß es geschützt werden. Hoher Wellenschlag zerstört es, zumal das Schilf wegen der Überdüngung des Wassers zu schnell wächst und damit anfälliger wird. Was tief und unzerstörbar wurzelt, sind nicht Schild, Rohrkolben und Binsen, sondern die Vorurteile des Vorsitzenden des Motoryachtverbandes und seiner Klientel, die auch von Bisamratten nicht abgefressen werden, genausowenig wie diese Halme.
Was ebenso tief wurzelt, ist die Unfähigkeit von Behörden und Politikern, im Gestrüpp von Bundes- und Landeszuständigkeiten eine angemessene Regelung für die Probleme zu finden. Wir wollen uns den Luxus erlauben und die gesetzlichen Zustände außen vor lassen und einfach feststellen:
—es gibt zu viele Sportboote in Berlin, besonders zu viele motorisierte. Ihre Zahl muß beschränkt werden. Auf den Bermudas ist, damit die Insel nicht kaputtgeht, die Zahl und Größe der Autos auch begrenzt;
—die Zulassung von Motorbooten sollte nach bestimmten ökologischen Kriterien erfolgen, zu denen Antrieb (Viertakter mit Katalysator, Elektromotoren), Rumpfform und Strömungsverhalten bei einer definierten Geschwindigkeit, aber auch die Länge gehören können;
—es gibt Gewässer — wie den Müggelsee —, die besonders geschützt werden müssen. Man sollte sie für bestimmte Bootsarten oder -antriebe oder ganz sperren.
Wer sich für mehr als eine Viertelmillion eine Motoryacht leisten kann, soll auf die Ost- oder Nordsee. Da kann er (gibt es eigentlich viele Frauen darunter?) mal richtig mit den Naturgewalten kämpfen gehen und uns die Natur hier am Wasser ungestört von Lärm und Gestank überlassen.
Dolf Straub arbeitet im Bereich Öffentlichkeitsarbeit beim Umweltsenator, ist zweimal um Cap Horn gesegelt und Autor eines Buchs über Segeln in Berlin: Nichts wie hinterher .
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