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Archiv-Artikel

STADTGESPRÄCH Benzin? Nein, gerade nicht

IN WESTAFRIKA WIRD DER TREIBSTOFF KNAPP, WEIL ÖLGIGANT NIGERIA DIE IMPORTE NICHT BEZAHLT HAT

Es dauert nur zwei Wangenküsschen bis zur entscheidenden Frage: Hast du noch irgendwo Benzin kaufen können? Von verzweifelter Suche in halb Cotonou wird berichtet, von langen Schlangen an den Tankstellen in Benins Hauptstadt und von den kleinen selbst gezimmerten Holzständen an den Straßenrändern, wo die meisten Menschen den Sprit für Moped und Auto kaufen. Es ist Schmuggelware aus Nigeria und natürlich günstig.

Doch egal, wo man auch sucht – das Ergebnis ist fast immer gleich: Auf den Holzbrettern stehen höchstens ein paar leere Flaschen, und in den Zapfsäulen ist schon lange nichts mehr. Dort, wo es noch ein paar Reste gibt, haben sich die Preise verdreifacht. Matin Libre schreibt am Freitagmorgen: Benzin ist zum Luxus geworden. Und schuld ist das Nachbarland Nigeria, wo mal wieder fuel scarcity herrscht, Benzinknappheit.

Denn in Nigeria, dem größten Ölproduzenten des Kontinents, der täglich 2,5 Millionen Barrel Rohöl fördert, wird kein Benzin hergestellt. Stattdessen wird das Rohöl exportiert und muss später als Benzin zurückgekauft werden. Funktionierende Raffinerien gibt es nicht, obwohl das seit Jahrzehnten angeprangert wird und Benzin zu einem kritischen Gut macht.

Die aktuelle Krise – selbst die nigerianischen Fluggesellschaften haben schon Inlandsflüge gestrichen – scheint sich zugespitzt zu haben, weil die Regierung bei den Importeuren offene Rechnungen hat. Immer wieder haben jene gedroht, den Benzinhahn komplett zuzudrehen.

Was bleibt, sind die Schlangen vor den Tankstellen, die oft viele Kilometer lang sind. In der Hoffnung, doch noch ein paar Liter Benzin zu bekommen, schlafen viele Menschen sogar im Auto, um ihre Warteposition nicht aufgeben zu müssen und um aufzupassen, dass sich niemand vordrängelt.

Doch die Wut wächst mit jedem Tag, ganz gleich ob in der Hauptstadt Abuja oder der Wirtschaftsmetropole Lagos; die allermeisten Menschen in Nigeria sind Pendler. Zur Arbeit beispielsweise fahren sie entweder selbst oder in einem anderen Privatwagen mit und zahlen dem Besitzer dafür einen vorher ausgehandelten Preis.

Und die täglichen Wege sind lang: Aufgrund der hohen Mieten in den Zentren sind viele Menschen in den letzten Jahren immer stärker in Vororte gedrängt worden und verbringen täglich viele Stunden auf vollgestopften Straßen. Einen öffentlichen Personennahverkehr gibt es nicht. Selbst wenn sofort mit dem Ausbau begonnen würde, würde es vermutlich viele Jahre dauern, bis er auch funktioniert.

Darüber wird zwar ab und zu gesprochen. In Lagos gibt es beispielsweise seit ein paar Jahren große, rote Busse und zusätzliche Busspuren. Priorität hat das Thema allerdings nicht. Denn Benzin ist das Einzige, was in Nigeria günstig ist, weil es staatlich subventioniert wird. Der offizielle Preis liegt bei 87 Naira (knapp 40 Euro-Cent), hat sich aber mittlerweile verdoppelt, wenn es denn überhaupt noch Benzin gibt.

Dabei soll NNPC, Nigerias staatliches Mineralölunternehmen, nun gesagt haben, man hätte weiterhin 1,2 Milliarden Liter Benzin in Depots, berichten nigerianische Zeitungen am Freitag. Gesehen hat davon aber bisher noch niemand etwas. Deshalb heißt es in Westafrika weiter: Geduldig auf die Tankfüllung warten.

Katrin Gänsler

aus Cotonou